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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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mir zuhören! Oder es geschieht ein Unglück!«
    Statt ihr zu antworten, machte Harry auf dem Absatz kehrt. Dabei zog er Laura so energisch mit sich fort, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen.
    »Harry!«, rief Florence. »Wenn du jetzt gehst, bringe ich mich um!«
    Entsetzt blieb Laura stehen. Tatsächlich! Die Elfe war auf die Brüstung geklettert und bereit zum Sprung.
    »Du hast deinen Badeanzug vergessen!«, rief Harry ihr über die Schulter zu.
    »Gott möge euch beide für immer strafen!« Mit dem Fluch auf den Lippen, sprang Florence in die Tiefe.
    »Um Himmels willen!«
    Mit einem Schlag war Laura nüchtern. Sie riss sich von Harry los und stürzte zum Geländer. Schwarz und böse schäumten die Fluten der Seine zwischen den Brückenpfeilern hervor. Von der Elfe war weit und breit keine Spur.
    »Kümmere dich nicht um sie«, sagte Harry. »Das Wasser ist so kalt, da hat kein Mensch Lust zum Ertrinken.«
    »Bist du wahnsinnig?«
    Ohne auf ihn zu achten, rannte Laura los. Sie wusste nicht, was sie tun konnt e – aber irgendetwas musste sie tun! Sie war bereit, sich in die Fluten zu stürzen, und spürte schon das kalte Wasser.
    Sie hatte das Ende der Brücke noch nicht erreicht, da sah sie einen weißen Schatten im Fluss. Die Elfe! Wie Hamlets Ophelia trieb sie die Strömung hinab. Gespenstisch bauschte sich ihr Kleid und trug sie empor. Die Liebe hatte sie in den Tod getriebe n … Außer Atem blieb Laura stehen und stützte sich auf das Geländer. Aber was war das? Als die Leiche in die Nähe des Ufers kam, erhob sie sich aus den Fluten. Nein, Ophelia hatte sich nicht ertränk t – Ophelia lebte! Als hätte sie nur ein nächtliches Bad genommen, strich Florence sich die nasse Lockenpracht aus dem Gesicht und kehrte zurück an Land.
    »Sie hat es mal wieder geschafft«, knurrte Harry. »Immer muss sie im Mittelpunkt stehen.« Er formte seine Hände zu einem Trichter vor dem Mund und beugte sich über die Brüstung: »Den Hustensaft findest du im Badezimmerschrank, Liebling! Zweite Schublade von unten!«
    Für einen Moment verschlug es Laura die Sprache. Dann musste sie prusten vor Lachen.
    Harry grinste. »Ich hab doch gleich gesagt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Er nahm ihr Kinn in die Hand, und während das Grinsen von seinen Lippen verschwand, schaute er sie an. Sogar in der Nacht waren seine Augen so blau wie ein klarer kalter Winterhimmel. »Mein Gott, womit habe ich dich eigentlich verdient?«
    Auf einmal war Laura so feierlich zumute wie in einer Kirche.
    »Langsam glaube ich wirklich, du bist der Große Zauberer«, sagte sie.
    Er beugte sich vor, um sie zu küssen. Laura schloss die Augen. Und als sie seinen Kuss erwiderte, spürte sie, wie sehr er sich nach ihr sehnte, so deutlich, als würde ein Zauberstab sie berühren.
    »Was ich dich noch fragen wollte«, flüsterte sie. »Hast du deinen Teller eigentlich leer gegessen?«
    4
    Längst graute der Himmel über den Dächern der Stadt, und von der Straße drangen die Geräusche des Morgens in die Mansardenwohnung herauf. Paris erwachte. Doch Harry stand immer noch vor seiner Staffelei und malte.
    »Was würde dich mehr inspirieren?«, fragte Laura. »Wenn ich meine Locken anzünde? Oder soll ich lieber Mozart zweistimmig furzen?«
    Harry antwortete nur mit einem unartikulierten Brummen.
    »Oder wie wär’s mit einem Nonnentanz? Schließlich bin ich deine Muse. Und als solche bin ich laut Dienstvertrag verpflichtet, alle Viertelstunde eine Inspiration zu produzieren. Das habe ich erst neulich in der Zeitung gelesen.«
    Wieder keine Reaktion. Laura fühlt sich, als hätte sie einen Kater. Niemals nüchtern sein? Das Leben als Rausch? Sie war sich ganz sicher gewesen, dass Dada sie heute erlösen würde. Sie hatte ihn so deutlich gespürt beim Kuss auf dem Pont Neuf. Keine zehn Minuten hatte der Weg von dort in die Rue Jacob gedauert, wo sie mit Harry in zwei Dachzimmern hauste. Doch Dada hatte sie im Stich gelassen. Statt sie zu küssen und über sie herzufallen und ihr die Kleider vom Leib zu reißen, war Harry an die Staffelei gegangen, kaum dass er die Tür hinter sich zugemacht hatte. Er hatte nur die Idee für ein Bild skizzieren wollen. Das war jetzt zwei Stunden her.
    Warum wollte er nichts von ihr wissen? Aus Angst vor den drei Worten, die er versprochen hatte, niemals zu ihr zu sagen?
    Obwohl ihre Wohnung so winzig klein war, dass sie kaum genug Platz für all die unverkäuflichen Bilder bot, die sich an den

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