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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Wänden stapelten, hatte Harry sein Gelübde gehalte n – sechs endlose eiserne Wochen lang.
    »Manchmal sehne ich mich fast nach meinem Apfelprofessor zurück.«
    Laura hatte eigentlich nur mit sich selber gesprochen, aber Harry hatte sie gehört.
    »Bereust du, dass du mit mir gekommen bist? Dann vergiss bitte eines nich t – du hast das für dich getan.«
    »Das habe ich auch, verdammt noch mal! Trotzde m …«
    Ohne den Pinsel aus der Hand zu legen, schaute er von der Staffelei auf. »Trotzdem was?«
    »Ach nichts!«
    Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst, aber weil das nicht ging, wandte sie sich wieder ihrem eigenen Bild zu, einem Selbstporträt, das sie gleich nach ihrer Ankunft in Paris angefangen hatte, mit dem sie aber nicht vom Fleck kam. Sie hatte von Harry Sehen und Malen und Leben lernen wollen. Malen hatte sie gelernt. Sie hatte riesige Fortschritte gemacht, sich neue Techniken angeeignet, neue Ausdrucksmöglichkeiten entdeck t – Professor Bonenfant hätte gestaunt! Aber leben? Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie sich auf ihrem Bild als Wildpferd oder Schaukelpferd darstellen sollte. Wenn das so weiterging, würde sie eines Tages enden wie Florenc e – eine hysterische Muse, die sich aus unerfüllter Liebe in die Seine stürzte. Und Harry malte und malte, als ginge ihn das alles gar nichts an.
    »Was ist das eigentlich für ein Manifest, das du geschrieben hast?«, fragte sie mit möglichst gleichgültiger Stimme.
    »Über Erektionsgefahr?«
    »Ja, deine Abhandlung gegen das klerikale Ungeziefer.«
    »Wenn es dich interessier t – das Manuskript ist in meiner Jacke.«
    Sie legte den Pinsel beiseite, um die Blätter zu holen. Sie hatte noch keine zwei Sätze gelesen, da hielt sie die Luft an. Der Text war eine Aneinanderreihung der schamlosesten Begriffe, die sie je schwarz auf weiß gesehen hatte. Da war vom Expertenfick die Rede, vom Brot- und Butterfick, von Küssen auf sündige Körperteile, Küssen auf brave Körperteile, Küssen nach Taubenart, Küssen ohne Hintergedanken, mondänen Küssen. Und immer wieder von Erektionen. Die Liebe ist der Todfeind der christlichen Moral … Das hatte Harry geschriebe n – ausgerechnet! Derselbe Mann, der an ihrer Seite lebte wie ein Mönch!
    Laura war so wütend, dass sie seinen Verbalerguss am liebsten in den Kamin geworfen hätte, aber es gab in der Wohnung keinen. Gleichzeitig, und das machte sie noch wütender, bewunderte sie seine Willenskraft. Er begehrte sie doch genauso wie sie ihn! Jeder Blick war der Beweis! Aber Liebe und Freiheit, so hatte er ihr erklärt, würden einander ausschließen, und er habe sich für die Freiheit entschieden.
    Aus den Augenwinkeln schielte sie zu ihm hinüber. Harry hasste es, wenn man ihn beim Malen beobachtete, nicht mal Fragen nach dem Fortschritt seiner Arbeit durfte man ihm stellen, so wenig wie einem Priester, der gerade Brot und Wein wandelte. Ein klammheimlicher Verdacht beschlich Laura. Bestand am Ende wirklich ein Zusammenhang zwischen seiner Enthaltsamkeit und seiner unglaublichen Produktivität? Sie stellte sich vor, wie statt Farbe sein Sperma aus dem Pinsel auf die Leinwand quoll.
    »Wenn du Lust auf einen Mann has t – ich glaube, Pompon wäre nicht abgeneigt«, sagte Harry, der ihre Gedanken zu ahnen schien. »Aber deshalb musst du doch nicht rot werden!«, lachte er, als er ihr Gesicht sah. »Bitte bediene dich, mir macht es nichts aus!«
    Laura drehte das Radio an, damit er nicht merkte, wie sehr sein Vorschlag sie verletzte. Genauso hatte er mit Florence geredet, in der Galerie von Bertram Amrose. Während aus dem Radio ein leiser Akkordeonwalzer ertönte, griff Laura wieder zu ihrem Pinsel, um nur nicht nichts zu tun. War sie zu ewiger Jungfernschaft verdammt? Manchmal träumte sie von dem Haus ihrer Eltern. Es war ein finsterer Kerker gewesen, gewiss, aber wenigstens ein großer. Hier lebte sie in einer Wohnung, die ihr Vater keinem Dienstboten zugemutet hätte, und das Geld war so knapp, dass sie manchmal drei Tage lang keine warme Mahlzeit zu sich nahm. Ihre einzigen regelmäßigen Einkünfte waren die Überweisungen ihrer Mutter. Sie schickte jeden Monat fünfzig Pfund, damit Laura endlich zum Arzt gin g – wegen der Sache . Doch sie war nie beim Arzt gewesen. Alles Geld, das sie hatten, ging für die Miete drauf. Und für die Rechnungen im Café Flore .
    »Fertig«, sagte Harry. »Willst du mal sehen?«
    Die ganze Zeit hatte er mit höchster Konzentration gemalt. Jetzt wirkte

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