Himmelsdiebe
Wasser zu tauchen. Das war ihre Art zu spülen. Gesellschaft leistete ihr dabei Pepe, der Dorfbriefträger, ein rotbackiger, bildhübscher, doch leider taubstummer Bauernbursche von knapp dreißig Jahren, der mit aufgeregten Gesten und wild hervorgestoßenen Grunzlauten versuchte, ihr irgendwas zu erklären. Wahrscheinlich hatte mal wieder jemand die Adresse eines Briefes so unleserlich geschrieben, dass er sie nicht hatte entziffern können. So was machte ihn fuchsteufelswild.
»Wann wollt ihr zwei eigentlich heiraten?«, fragte Lulu, nachdem Harry und Laura sie begrüßt hatten.
Harry bekam einen Hustenanfall. »Heiraten?«
»Wir?« Laura musste laut lachen.
»Natürlich ihr! Wer sonst?«, brummte Lulu mit ihrem Bass. »Die Leute zerreißen sich schon die Mäuler über euch. Außerdem hat’s lange keine Hochzeit mehr im Dorf gegeben. Zu wenig junge Männer. Sind alle im letzten Krieg gefallen.«
Während die Patronne ein paar Gläser aus dem Bottich fischte und mit einem schmutzigen Lappen abtrocknete, kratzte Harry sich am Kopf.
»Hm«, machte er schließlich, »darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht. Aber bevor wir hier in Verruf gerate n – warum eigentlich nicht? Was meinst du, Laura? Hast du Lust?«
Laura zuckte die Schultern. »Eigentlich wollte ich heute noch Wäsche waschen. Aber wenn wir es bis Mitternacht schaffe n – von mir aus gerne!«
Harry grinste. »Also jetzt gleich?«
»Jetzt gleich!«, grinste sie zurück. »Vorausgesetzt natürlich, dass Lulu uns ihr Lokal zur Verfügung stellt.«
»Hab ich das richtig verstanden?« Die Wirtin schaute die beiden an, als wären sie nicht ganz bei Trost. »Ihr zwei wollt heiraten? Hier in meinem Bistro?«
»Ich kann mir keinen würdigeren Ort vorstellen«, erklärte Harry.
Lulu schüttelte lachend den Kopf. »Ihr Ausländer seid doch alle Spinner.« Sie schenkte die Gläser ein und nahm ein Tablett. »Macht, was ihr wollt. Ich muss mich um meine Gäste kümmern.«
»Hier geblieben!«, sagte Harry und hielt sie am Arm zurück. »Jetzt wird geheiratet! Und du bist unsere Trauzeugin!«
»Allerdings«, sagte Laura. »Nu r – wer spendet uns den Segen?« Sie schaute sich in der Kneipe um. »Pepe!«
Während Lulu das Tablett wieder abstellte, strahlte der Briefträger übers ganze Gesicht. Wie immer, wenn er Laura sah.
»Hervorragende Idee«, sagte Harry. »Hochwürden braucht nur noch ein Ornat.« Er nahm sein schwarzes Cape ab und legte es Pepe um die Schultern. »Was für eine Karriere! Vom Briefträger zum Pfarrer!«
»Ihr seid wirklich verrückt«, sagte Lulu. »Heiraten! In meinem Bistro! Wo sind denn die Ringe, wenn ich fragen darf?«
»Hier«, erwiderte Laura und zeigte zum Beweis ihre unberingte Hand. »Achtzehn Karat! Du musst sie dir nur denken.«
»Die praktischsten Ringe der Welt«, sagte Harry. »Man kann sie nie verlieren, und stehlen kann sie auch keiner. Aber jetzt vorwärts, bevor es Mitternacht wird und meine Braut Wäsche waschen muss!«
Er nahm Lauras Hand und führte sie vor den Tresen, wo der Briefträger immer noch strahlte, als wäre er selber der Bräutigam. Harry drückte ihm, in Ermangelung eines Breviers, Lulus Anschreibebuch in die Hand, erklärte ihm mit Händen und Füßen sein neues Amt und machte ihm vor, wie er den Segen spenden musste. Während Lulu grummelnd ihren grauen Kopf schüttelte, starrten die übrigen Gäste mit offenen Mündern zu ihnen herüber.
»Da Hochwürden kein Mann des Wortes ist«, sagte Harry, »schlage ich vor, wir sprechen die Trauformel selber.«
»Einverstanden!«
Als hätten sie sich verabredet, wurden sie beide mit einem Mal ernst.
»Bist du, Laura Paddingto n …«, hob Harry feierlich an.
»… willens und bereit«, fuhr Laura fort.
»… zusammen mit mi r …«
»… Harry Winte r …«
»… ein Leben am Rande des Wahnsinns zu führe n …«
»… und niemals nüchtern zu sei n …«
»… in guten und in schlechten Zeite n …«
»… bis dass die Wirklichkeit uns scheide t …«
»… dann antworte mi r …«
»… mit J a …«
Harry machte eine kurze Pause und räusperte sich, bevor er weitersprach.
»Somit erkläre ich un s …«
»… für Mann und Fra u …«
Ihre Worte waren noch nicht verhallt, da schniefte Lulu laut auf. Während sie sich mit ihrem dreckigen Lappen die Tränen aus den Augen wischte, fuchtelte Pepe so heftig mit den Armen, dass das Brautpaar sicherheitshalber einen Schritt zurücktrat.
»Was will er uns nur sagen?«, fragte
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