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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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leisen, seltsam sehnsüchtigen Schnarchlauten, wie nur er sie hervorbringen konnte. Laura musste lächeln. Ob es wohl möglich war, auf diesen Tönen zu tanzen? Das Haar war an seinem hageren Schädel zu flaumig weißen Federn getrocknet, wie bei einem Vogel.
    Plötzlich wusste sie, dass sie nie wieder einen Mann je so lieben würde wie ihn. Wenn jetzt die Welt unterginge, wenn sie in diesem Augenblick sterben müsste, es wäre alles richtig und gut.
    Eine Fliege setzte sich auf seine Nase. Sein Gesicht zuckte, einmal, zweimal, dann schwoll sein ganzer Schädel an, und mit einem lauten Niesen wachte er auf.
    »Gott sei Dank, da bist du ja«, sagte er, als sein ängstlich suchender Blick sie fand. »Ich hatte geträumt, du wärst ganz alt geworden und hässlich und ich wäre zurück nach Paris gefahren. Allein, ohne dich.« Er stützte sich auf den Ellbogen auf und schaute sie an. »Versprich mir, dass du immer so bleibst wie jetzt. So jung und schön und stolz. Wei l – sonst kann ich dich nicht mehr lieben und muss dich verlassen.«
    »Ach Harry«, erwiderte sie. »Wenn ich heute Nacht den Mond am Himmel sehe, bin ich morgen vielleicht tot.«
    13
    Der Mistral, ein scharfer kalter Fallwind aus dem Norden, fegte bei strahlend blauem Himmel durch das Tal, rüttelte an den Häusern, dass die Fensterläden und Türen schlugen, und ließ die Blätter an den Bäumen flattern. Vornübergebeugt liefen die Einwohner von Sainte-Odile gegen den Wind durch das Dorf, Lulu räumte mit Pepe die Tische und Stühle von der Terrasse ihres Bistros, und die Bauern auf dem Markt spannten Netze über die Auslagen, damit das Obst und Gemüse nicht davonflog.
    Solange der Mistral blies, fand Laura keine Ruhe. Die Nächte waren sternenklar, rund und gelb leuchtete der Mond vom wolkenlosen Himmel. Während Harry im Bett lag und schnarchte, stand sie oft stundenlang am leise klirrenden Fenster und schaute zu, wie draußen in der winddurchwehten Dunkelheit die Bäume sich unter den unsichtbaren Mächten bogen, die Zweige und Äste nach Süden gereckt, sturmgepeitschte Geister und Gespenster mit wehenden Haaren, denen der Mistral seine Stimme lieh. Obwohl das Heulen und Jammern Laura zu Tode ängstigte, konnte sie sich nicht von dem Anblick der gelben Scheibe des Mondes lösen. Harry nannte sie seine Windsbrau t – war vielleicht der Mistral ihr wirklicher Bräutigam? Manchmal graute bereits der Himmel, bevor sie endlich ins Bett fand, und wenn sie nach unruhig bleiernem Schlaf erwachte, hatte sie Kopfschmerzen und war gereizt.
    Seit über zwei Wochen schon wehte der quälende Wind, als Laura eines Morgens in die Küche kam, noch ganz benommen von der Nacht. Der Frühstückstisch war gedeckt, aus dem Nebenraum krächzte das Grammophon. Harry stand fertig angezogen am Spülstein und schnitt einen Strauß Astern.
    Auf einmal war Laura hellwach.
    »Um Gottes willen, tu die Blumen weg!«, rief sie.
    »Wie bitte?«, fragte Harry und drehte sich um.
    »Die Blumen«, wiederholte sie. »Weg damit! Bitte!«
    Harry schüttelte den Kopf und schnitt den Stiel einer Aster ab. Entsetzt sah Laura, wie Blut aus dem offenen Stängel quoll.
    »Du hast sie umgebracht«, flüsterte sie. »Sie sind alle tot.«
    Als Harry sie nur anschaute, riss sie ihm die Blumen aus der Hand, öffnete das Fenster und warf den Strauß hinaus. Während der Mistral die Astern fortwehte, blökte unten im Stall das Schaf. Mit lautem Klirren schlug das Fenster im Wind.
    »Bist du verrückt?«, rief Harry. »Ich habe sie extra für dich geschnitten! Um dir eine Freude zu machen!«
    »Siehst du denn nicht, dass sie bluten? Schnittblumen sind Leichen! Ich will keine Leichen im Haus!«
    Kalt wehte der Wind herein und wirbelte eine Zeitung auf. Fröstelnd schloss Laura das Fenster. Die Zeitung drehte sich im Dreivierteltakt des Walzers, der immer noch aus dem Nebenraum krächzte, und sank kreisend zu Boden. Laura wurde schwindelig.
    »Mach bitte das Grammophon aus«, sagte sie.
    »Ach, die Musik gefällt dir auch nicht mehr? Ich dachte, das wäre dein Lieblingswalzer!«
    »Du sollst das Grammophon ausmachen, hab ich gesagt! Ich kann es nicht ertragen!«
    »Wenn du mich anschreist, mache ich überhaupt nichts!«
    »Das wollen wir doch mal sehen!«
    Laura dachte kurz nach. Das Radio! Harry hasste es wie die Pest! Sie schob ihn beiseite und marschierte quer durch den Raum. Als sie den kleinen Hängeschrank öffnete, in dem sich der Apparat verbarg, flatterten ihr Bobbys Briefe entgegen. Hier

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