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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sagte Lulu. »Ich dachte, du bist ein boche. «
    Im hinteren Teil des Raumes ging es zu wie auf einem Exerzierplatz. Umringt von Bauern im Sonntagsstaat, marschierte Pepe in seiner Briefträgeruniform salutierend auf der Stelle. Trotz seiner Taubheit fuhr ihm der Rhythmus der Nationalhymne so in die Glieder, dass seine Beine in die Höhe flogen. Als er kehrtmachte, erblickte er Harry und Laura. Im selben Moment erstarrte er. Seit dem Vorfall am Weinberg hatte er ihre Post immer auf der Mauer neben dem Torbogen abgelegt, ohne ihr Anwesen zu betreten. Panisch grunzte er ein paar Laute, dann stolperte er durch den Hinterausgang davon.
    »Was ist denn in den gefahren?«
    Lulu schaltete das Radio aus und schenkte zwei Gläser ein. Während Maître Simon, wie stets mit Fliege und Nadelstreifenanzug, Laura mit Handkuss begrüßte, nahm Harry die Gläser entgegen.
    »Was ist ein boche ?«, wollte Laura wissen.
    »So nennen die Franzosen die Deutschen«, erwiderte Harry. »Nu r – ich bin kein Deutscher.«
    »Ah, Sie haben noch rechtzeitig unsere Staatsbürgerschaft erwerben können?«, fragte Maître Simon. »Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen.«
    »Nicht direkt«, entgegnete Harry. »Aber ich hasse die Nazis mehr als jeder Franzose. Sie haben mir schon früher den Krieg erklärt als Ihrem Land.«
    »Ich fürchte, darauf kommt es jetzt nicht an«, sagte der Notar. »Im Krieg zählt nur der Pass. Die Gesinnung ist Nebensache.«
    »Frankreich ist die Heimat aller Antifaschisten«, erwiderte Harry. »Außerdem lebe ich hier seit achtzehn Jahren und habe eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung.«
    »Trotzdem, Sie sollten einen Asylantrag stellen. Wenn Sie wünschen, bin ich Ihnen gerne behilflich.«
    »Das wird nicht nötig sein. Ich habe beste Beziehungen nach obe n – nach ganz oben sogar.«
    »So, haben Sie?« Maître Simon schaute Harry mit erhobenen Brauen an. Um seinen Mund spielte ein feines Lächeln. »Na dann auf Ihr Wohl, Monsieur Winter«, sagte er schließlich und hob sein Glas.
    Harry prostete dem Notar zu, doch irgendwie war ihm die Lust vergangen, länger zu bleiben. Es war dunkel und stickig in dem Bistro, während draußen wunderbares Wetter herrschte. Die Sonne würde bald in ihr Atelier scheinen, Laura und er sollten lieber das Licht nutzen, um an der Himmelsbeute zu arbeiten, statt die Zeit hier sinnlos zu vertrödeln. Er hatte am Morgen eine großartige Idee für ein Bild gehabt: Dada reitet auf einem Schaukelpferd durch die Lüft e …
    In einem Zug kippte er sein Glas hinunter.
    »Zahlen!«
    Staubige Hitze hing über dem Marktplatz, als sie ins Freie traten. Der Mistral hatte sich in der Nacht gelegt, die Luft war wieder warm und weich wie Seide. Friedlich schlenderten die Hausfrauen an den Ständen entlang, um die Besorgungen für das Mittagessen zu erledigen. Das sollte Krieg sein? Kaum konnte man sich vorstellen, dass die Bauern gestern noch ihre Waren mit Netzen gegen den Wind hatten sichern müssen. Hitler war in Polen beschäftigt, er hatte keine Truppen, die er nach Frankreich schicken konnte. Das war doch sonnenklar.
    »Was meinst du mit Beziehung nach ganz oben?«, fragte Laura, als sie durch den Weinberg nach Hause gingen. »Hoffst du, dass Florences Vater dir vielleicht hilft?«
    »Florences Vater?«, erwiderte Harry. »Wie kommst du denn auf den?« Als er sich umdrehte und ihr Gesicht sah, erschrak er. Laura sah aus wie früher manchmal in Paris, wenn sie über die Krämpfe im Magen klagte und sich ihren Orangenblütentee braute. Harry gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Hab keine Angst. Hier sind wir so sicher wie in Abrahams Schoß.«
    »Wirklich?«
    »Wenn ich es dir sage.« Harry schüttelte den Kopf. »Glaub mir, uns kann nichts passieren. Wozu haben wir unsere Schutzgötter?«
    15
    Die Morgensonne weckte Laura aus süßem Schlummer. Wohlig räkelte sie sich unter der hellen, warmen Liebkosung, dann öffnete sie blinzelnd die Augen. Harry lag neben ihr im Bett, leise schnarchend auf dem Rücken, mit ausgebreiteten Armen wie ein König, dem nichts und niemand etwas anhaben konnte im fernen Reich seiner Träume. Nur seine spöttisch lächelnden Mundwinkel verrieten, dass er in Wirklichkeit schon wach war.
    »Was denkt der Mann mit dem eisblauen Blick?«, fragte Laura.
    »Dass er die Taubenküsse seiner Windsbraut mag«, murmelte Harry, ohne die Augen zu öffnen. »Doch mehr noch ihre mondänen Küsse, gespendet von Lippen, die purpurrot sind von edlen Begierden.«
    »Wenn ich nur

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