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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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heruntergebrannt.
    »Worüber denken Sie nach?«, wollte sie wissen.
    »Wie wir die Zeit nutzen können«, erwiderte er. »Ich werde noch eine Woche in England sein. Was schlagen Sie vor?«
    »Eine Woche?« Laura zögerte keine Sekunde. »Dann müssen Sie unbedingt Cornwall sehen.«
    »Gut«, sagte Harry. Er drückte seine Zigarette aus und stand auf. »Wann fahren wir los? Jetzt gleich? Mein Galerist hat mir sein Auto geliehen. Es steht in einer Garage am Piccadilly Circus. Ich glaube, das ist nicht weit von hier.«
    Er hatte Widerspruch erwartet, vielleicht sogar Empörung. Doch Laura hatte nur ein Bedenken: »Und Florence?«
    Harry trat auf ihre Seite des Tisches, um ihr vom Stuhl aufzuhelfen, und lächelte sie an, so großartig er nur konnte. »Welche Florence?«, fragte er zurück. »Ich bin ein freier Mann.«
    5
    Noch in derselben Nacht kamen sie in Cornwall an. Der Gasthof, den sie angesteuert hatten, klebte wie ein Taubennest am Rand einer Felsenklippe hoch über dem Meer und hatte drei Zimmer. Zehn Minuten hatten sie gebraucht, um den Wirt aus dem Bett zu klingeln. Jetzt standen sie an der Rezeption. Während Harry die Anmeldeformulare ausfüllte, griff Laura zum Telefon und ließ sich mit London verbinden.
    »Um Himmels wille n – wo bist du?«
    Die Stimme ihrer Mutter, die so klar und deutlich zu vernehmen war, als stünde sie neben ihr, schnappte fast über. Laura hielt sich den Hörer vom Ohr, damit ihr Trommelfell keinen Schaden nahm.
    »In Cow’s Creek. Ich kann nichts dafür, dass der Ort so heißt.«
    »Komm auf der Stelle zurück! Dieser sogenannte Künstler ist ein gemeiner Sittenstrolch! Dein Vater und ich haben uns erkundigt!«
    »Ich kann dich nicht verstehen, Mama. Es rauscht so in der Leitung. Aber mach dir keine Sorgen. Geraldine und ich haben ein Zimmer nur für uns allein. Außerdem sind alle Schüler aus meiner Klasse mit dabei. Mr. Amrose, der Bruder des Galeristen, du weißt schon, hat hier einen Gasthof.«
    »Du sollst auf der Stelle zurückkommen, hab ich gesagt! Wenn dein Vater das erfähr t – nicht auszudenken! Er kriegt einen Herzinfarkt!«
    »Die Verbindung ist fürchterlich, Mama, ich kann dich kaum noch hören.«
    »Wenn du morgen nicht wieder da bist, sag ich deinem Vater Bescheid. Dann hast du ihn auf dem Gewissen! Willst du das?«
    »Ich muss jetzt Schluss machen, Mama. Ich melde mich wieder bei euch, spätestens in einer Woche.«
    Ohne die Antwort ihrer Mutter abzuwarten, hängte Laura den Hörer auf die Gabel. Das wäre geschafft! Doch wie würde es jetzt weitergehen?
    »Wir brauchen zwei Zimmer«, erklärte Harry in seinem grauenvollen Englisch.
    Gähnend griff der Wirt zum Schlüsselbrett. Sein Bademantel hatte das gleiche gelb-rote Streifenmuster wie die Tapetenwand hinter der Rezeption.
    »Zwei Zimmer?«, fragte Laura. »Sind Sie ein Anstreicher, der sich vor der Polizei fürchtet?«
    Wortlos reichte Harry ihr den Füller. Laura runzelte die Stirn. Wollte er wirklich, dass sie in zwei getrennten Zimmern schliefen? Oder wollte er nur den Schein wahren? Unsicher unterschrieb sie das Formular, das auf ihren Namen ausgestellt war.
    Eine schmale Stiege, die nur von einer flackernden Funzel beschienen war, führte hinauf in den ersten Stock. Auf dem Treppenabsatz öffnete der Wirt die Türen zweier nebeneinanderliegender Zimmer, um sich dann mit einem anzüglichen Grinsen zu verdrücken. Eine schwarze Katze beäugte sie von ihrem Schlafplatz auf einer Bank. Laura spürte, wie ihre Hände feucht wurden. Welchen Vorwand würde Harry sich wohl einfallen lassen, um sie in ihr Zimmer zu begleiten? Plötzlich bekam sie Angst. Diesem Mann warfen sich wunderschöne, halbnackte Frauen zu Füßen, und sie war nur ein ahnungsloses Mädchen.
    »Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht«, sagte Harry.
    »Wie bitte?« Laura glaubte, nicht richtig gehört zu haben.
    »Vielleicht sehen wir uns ja in unseren Träumen.«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, war er in seinem Zimmer verschwunden, zusammen mit der Katze, die hinter ihm durch den Spalt gehuscht war. Gleich darauf wurde von innen ein Schlüssel umgedreht.
    Gleichzeitig erleichtert und enttäuscht, blickte Laura auf die geschlossene Tür. Wollte er sich über sie lustig machen?
    Irritiert trat sie in ihr Zimmer. In der Kammer roch es nach Bohnerwachs und frisch gewaschener Wäsche, und über dem Bett hing, als einziger Schmuck im Raum, ein kleines schwarzes Kruzifix an der gekalkten Wan d – die Wirtsleute mussten Katholiken sein.

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