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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Freiheitskämpfer in Spanien brauchen meine Bilder.«
    »Sie meinen, was Mönche können, das schaffen Sie auch?«
    »Was wissen Sie über Mönche?«
    »Ich wurde im Kloster erzogen. Eine Zeit lang wollte ich sogar Nonne werden, Nonne oder Heilige. Aber sie haben mich von der Schule geworfen. Ich galt als unerziehbar. Sie hielten mich für übergeschnappt, weil ich immer nur in Spiegelschrift schrieb.« Laura blies sich eine Locke aus der Stirn. »Doch jetzt sitzen wir hier schon über zwei Stunden, und Sie haben mir immer noch keinen Antrag gemacht. Was ist der Grund für Ihre Unhöflichkeit?«
    Harry musste laut lachen. »Das ist nicht persönlich gemeint«, erwiderte er. »Nur, die Liebe hat mir nichts mehr zu bieten. Ich habe schon alles erlebt, was es auf diesem Gebiet zu erleben gibt. Das einzige Abenteuer, das mich noch interessiert, ist die Kunst.«
    Er zündete sich eine Zigarette an. Hatte er sie beeindruckt? Ohne zu fragen, nahm Laura eine Zigarette aus seinem Etui, steckte sie mit seinem Feuerzeug an und fing gleichfalls an zu rauchen.
    »Meinen Sie das wirklich im Ernst?«, fragte sie und blies ihm unverwandten Blicks den Rauch ins Gesicht.
    Harry kannte dieses Spiel. Schon seine Mutter hatte ihn, wann immer sie ihn in Verdacht gehabt hatte, er würde lügen, gezwungen, ihr in die Augen zu sehen, und jedes Mal hatte er ihrem Blick standgehalten, sodass sie ihm hatte glauben müsse n – egal, ob er gelogen oder die Wahrheit gesagt hatte. Doch der Blick aus den großen schwarzen Kinderaugen, mit dem Laura ihn jetzt prüfte, war viel schwerer auszuhalten. Er hatte das ungute Gefühl, dass dieses Mädchen ganz genau wusste, was er selber ganz und gar nicht wusst e – nämlich, was er eigentlich von ihr wollte.
    »Das fragen Sie, obwohl Sie in meiner Ausstellung waren?«, erwiderte er. »Jedes meiner Bilder ist der Beweis, wie ernst es mir ist.« Laura zuckte nur die Schulter. »Ich bin in keiner Ausstellung gewesen.«
    »Wollen Sie mich beleidigen?«, rief er so laut, dass ein paar Köpfe sich nach ihm umdrehten. »Was haben Sie dann den ganzen Vormittag in der Galerie getrieben?«
    Sie machte einen Zug an ihrer Zigarette. Ohne den Blick von ihm abzuwenden, erklärte sie: »Ich bin in Ihrer Seele spazieren gegangen.«
    Für einen Moment verschlug es ihm die Sprache. Etwas Intelligenteres hatte noch kein Kritiker je über seine Ausstellungen geschrieben. Er war über ihre Antwort so beglückt, als hätte sie ihm einen Kuss gegebe n – nicht nach Taubenart, sondern sehr mondän. Eine Weile blieb er stumm, um den Zauber ihrer Worte zu genießen.
    »Und?«, fragte er schließlich. »Ist das nicht viel spannender als der Austausch von Körpersäften?«
    Laura verzog immer noch keine Miene. »Gehört in der Kunst nicht beides zusammen?«
    Abermals fehlten Harry die Worte. War der Teufel in die Gestalt dieses Mädchens geschlüpft, um ihn zu verführen? Was Laura sagte, entsprach seiner eigenen Auffassung von Kunst und Leben auf geradezu wundersame Weise. Jedes Bild, das Wahrheit für sich in Anspruch nehmen konnte, war nichts anderes als ein Traumbild seines Schöpfers. Noch mehr beeindruckte ihn aber, dass Laura sich der Bedeutung dessen, was sie da so beiläufig von sich gab, überhaupt nicht bewusst zu sein schien. Wie ein Kind, das mit traumwandlerischer Sicherheit die schwierigsten mathematischen Gleichungen löst, ohne die geringste Ahnung von seinem Genie zu haben.
    »Woher wissen Sie das alles?«, fragte er. »Von Ihrem Apfelprofessor? Sie sind viel zu jung für diese Dinge.«
    Laura nahm den Löffel aus dem Senftopf und fing an, damit ihre Serviette zu bemalen. »Als ich Ihre Bilder sah«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihm, »war es wie ein Wiedererkennen. Als würde ich eine Welt betreten, in die ich längst hineingeboren war.«
    Eine Weile sprach sie kein Wort, um schweigend zu malen, als wäre sonst niemand im Raum.
    »Darf ich mal sehen?«, fragte Harry, als sie mit ihrem Senfgemälde fertig war.
    Wortlos schob sie ihm die Serviette zu. Ihre Zeichnung stellte einen Mann mit wehendem Haar dar. Auf der Höhe seines Herzens leuchtete ein Mond aus seiner Brust, der eine dunkle zerklüftete Landschaft beschien, wo flügelschlagende Reiher giftige Nattern verschlangen.
    »Sie hätten eine bessere Ausbildung verdient als Äpfelmalen«, sagte Harry. Vor Aufregung hatte er ganz vergessen zu rauchen. Die Asche hing wie ein krummer Wurm an seiner Zigarette, und die Glut war bis auf den Filter

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