Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
Haus, das von seinen eigenen Schatten verschluckt zu werden schien. Im Schein ihrer Laterne sah sie die zertrümmerten Reste von Dadas Männlichkeit, die immer noch im Hof herumlagen. Bei dem Anblick spürte sie wieder den Klumpen im Bauch, und ihre Zuversicht erlosch so rasch, wie sie gekommen war.
    War sie wahnsinnig gewesen, Dada zu zerstören? Wie sollte sie ohne seine Hilfe den Mut aufbringen, das Atelier zu betreten?
    Zitternd vor Angst öffnete sie das Tor. Im Stall knipste sie das Licht an und stieg die Treppe hinauf.
    Als sie vor dem Atelier stand, geschah etwas, was noch nie geschehen war. Der Klumpen in ihr begann sich zu bewegen.
    Irritiert fasste sie sich an den Bauch. Nein, sie hatte sich nicht geirrt, der Klumpen bewegte sich schon wieder, ganz deutlich sogar. Als würde etwas in ihr zum Leben erwachen.
    Plötzlich fiel alle Angst von ihr ab, und eine Kraft durchströmte sie, die ihr das Gefühl einer bislang unbekannten Macht verlieh.
    Hatte der Himmel entschieden?
    8
    »Wo bist du so lange geblieben?«, fragte Harry. »Seit Wochen warte ich schon auf dich.«
    »Ich hatte Angst«, erwiderte Laura.
    »Angs t – wovor?«
    »Dass du nicht da bist.«
    Mit einem Stirnrunzeln schaute er von der Leinwand auf sie herab. »Hast du so wenig Vertrauen zu deiner Kunst?«
    Vor einer Stunde hatte Laura mit der Arbeit an seinem Porträt begonnen, und seitdem sprach sie mit ihrem Geliebten, und er mit ihr. Endlich hatte sie sich aus dem Gefängnis der Einsamkeit befreit, in dem sie so lange eingeschlossen gewesen war. Die neue Kraft in ihrem Bauch hatte ihr den Mut dazu gegeben.
    »Ich glaube, ich bekomme ein Kind«, sagte sie, während sie einen Schatten auf der Leinwand korrigierte.
    »Von mir?«, fragte Harry.
    »Nein, von Pepe . – Natürlich von dir! Ich bin ja nicht die Jungfrau Maria.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Dass ich nicht die Jungfrau Maria bin?«
    »Nei n – dass du schwanger bist.«
    »Beschwören kann ich es nicht, es ist doch das erste Mal. Aber kann der Himmel sich irren? Auf jeden Fall fühlt es sich genauso an, wie ich es mir immer vorgestellt habe.«
    »Wie wär’s, wenn du mal zum Arzt gehst? Ich habe gehört, Ärzte kennen sich mit so was aus.«
    »Auf jeden Fall besser als du«, entgegnete Laura. »Aber sag mal, freust du dich denn gar nicht?«
    Harry antwortete nicht.
    »Wenn du nicht auf der Stelle sagst, dass du dich freust, bekommst du zur Strafe eine Falte extra verpasst!«
    »Wehe! Mach mich ja nicht älter, als ich bin!«
    »Selbst schuld!«, sagte Laura und malte eine senkrechte Furche zwischen seine Augen. »Das hast du nun davon!«
    Er zog ein böses Gesicht, doch seine Augen lächelten sie zärtlich an. Ja, er schien sie genauso vermisst zu haben wie sie ihn. Während Laura malte, redete er wie ein Wasserfall, vor allem dummes Zeug. Eitel, wie er war, hatte er sie sogar gebeten, sich Mühe mit seinem Aussehen zu geben. Um ihm eine Freude zu machen, hatte sie nicht nur sein Haar quer über den Schädel gekämmt, damit seine Halbglatze darunter verschwand, sondern ihn auch in ein prachtvolles Federkleid gewandet, in dem er nun durch eine sonnenüberflutete Landschaft stolzierte. In der Hand trug er eine Laterne, in der ein kleines Wildpferd eingeschlossen war. Wie ein Embryo im Mutterlei b – so sicher und wohlig schien es darin geborgen.
    »Warum weichst du mir aus?«, fragte Laura.
    »Tue ich das?«, erwiderte Harry.
    »Allerdings. Du hast gesagt, wenn man ein Bild von einem Menschen malt, würde man ihn besser begreifen als in der Realität. Aber d u …«
    »Hast du Grund, dich zu beschweren?«, fiel er ihr ins Wort. »Ich rede doch die ganze Zeit mit dir.«
    »Ja, aber du blödelst nur rum, ohne mir eine Antwort zu geben.«
    Sie wartete, dass er endlich die Worte sagte, die sie so gerne hören würde. Doch seine Lippen blieben stumm.
    »Mach endlich den Mund auf! Bitte!«
    Als er ihr wieder die Antwort verweigerte, erfasste sie plötzlich eine Trauer, die es nur im wirklichen Leben gab. Sie trat von dem Bild zurück und schaute Harry ins Gesicht.
    »Erinnerst du dich an die Geschichte von dem bösen Zauberer und dem Mirakelmädchen?«
    Harry musste niesen. »Natürlich«, sagte er. »Ich habe sie dir ja selber erzählt. Weshalb fragst du?«
    »Manchmal habe ich Angst, dass du genauso bist wie er. Er hat das Mädchen umgebracht, nachdem er mit ihr geschlafen hatte.«
    Während er ihren Blick erwiderte, füllte eine lange Weile nur sein Schweigen den Raum. Dann endlich

Weitere Kostenlose Bücher