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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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beiden Händen an den Zaun. »Bitte Mathilde, wenn du irgendwie kannst, kümmere dich um sie. Unser Dorf ist nicht weit von hier, in der Gegend von Avignon.«
    »Wie stellst du dir das vor? Ich muss zurück nach Marseille. Carl und ic h …«
    »Bitte«, wiederholte er. »Ich mache mir schreckliche Sorgen. Laura ist ganz allein in unserem Haus, und wir haben weit und breit keine Nachbarn. Außerdem gibt es im Dorf einen taubstummer Spanner, der es auf sie abgesehen hat.«
    Während er sprach, ging eine merkwürdige Veränderung mit Mathilde vor. Alles Lehrerinnenhafte verschwand aus ihrem Gesicht, um einer grenzenlosen Zärtlichkeit Platz zu machen. So hatte sie ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr angeschaut.
    »Car l …«, flüsterte sie.
    Irritiert blickte Harry über die Schulter. Ein Mitgefangener, den er noch nie gesehen hatte, ein Mann mit Halbglatze und Brille, trat neben ihn an den Zaun. Das musste ihr neuer Lebensgefährte sein. Als wäre Harry Luft, streckte er beide Hände durch den Stacheldraht, um Mathilde zu berühren.
    »Hast du die Visa bekommen?«, fragte er.
    »Noch nicht«, sagte Mathilde. »Aber der Konsul hat mir versprochen, dass er sich darum kümmert. Es fehlt noch ein Bürge. Aber was ist mit dir? Lassen Sie dich endlich frei?«
    »Wenn der Kommandant Wort hält, schon übermorgen. Er hat von einer größeren Entlassungsaktion gesprochen. Angeblich betrifft sie nicht nur uns Juden, sondern alle Internierten, die besonders gefährdet sind.«
    Harry horchte auf. »Auch Künstler?«
    Erst jetzt registrierte Mathildes Freund, dass er überhaupt da war. »Keine Ahnung«, sagte er. »Aber halten Sie um Himmels willen den Mund! Der Kommandant hat mir das im Vertrauen gesagt. Damit nicht das ganze Lager verrückt spielt.« Er drehte sich wieder um und griff durch den Zaun nach Mathildes Hand. »Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, dass wir nächste Woche vielleicht schon auf einem Schiff nach Amerika sin d …«
    Im Mondlicht erkannte Harry, dass seine ehemalige Frau weinte. Als könnte es kein größeres Glück auf Erden geben, als an einem Stacheldrahtzaun zu stehen und einen Mann mit Halbglatze und Brille anzuschauen.
    Warum tat sie das? Wusste sie denn nicht, wie sehr ihr Glück ihn verletzte?
    Harry wartete eine Weile in der Hoffnung, dass die beiden noch einmal Notiz von ihm nahmen. Doch genauso gut konnte er darauf warten, dass der Mond vom Himmel fiel.
    Mit einem Seufzer wandte er sich ab, um in die Katakombe zurückzukehren. Doch er war noch keine zehn Schritt weit gekommen, da blickte er in die Mündung eines Gewehrlaufes.
    11
    »Du darfst ihn nicht im Lager besuchen!«, erklärte Mathilde. »Auf gar keinen Fall! Du würdest nicht nur dich selber gefährden, sondern auch Harry!«
    »Aber du und die anderen Fraue n – ihr seid doch auch dort gewesen!«, erwiderte Laura.
    »Wir hatten mehr Glück als Verstand. Die Wachen kannten uns aus Gurs und haben beide Augen zugedrückt. Aber nachdem sie selber erwischt worden sind, bekamen sie Befehl, auf jeden zu schießen, der sich dem Zaun nähert. Egal, ob von innen oder von außen. Carl zweifelt nicht daran, dass sie gehorchen, wenn es darauf ankommt.«
    »Habe ich es Ihnen nicht gesagt?«, mischte Maître Simon sich ein. »Aber mir wollten Sie ja nicht glauben!«
    Laura hatte sich solche Hoffnungen gemacht, als Mathilde vor einer Stunde bei ihr aufgetaucht war, zusammen mit Lulu und Maître Simon. Harry lebte! Er war gesund und es ging ihm gut! Doch statt ihr Mut zu machen, nach Les Milles zu fahren, versuchte Mathilde, sie mit allen Mitteln davon abzuhalten. Genauso wie der Notar und die Patronne.
    »Hat er dir irgendwas für mich aufgetragen?«, fragte Laura.
    »Nur, dass ich nach dir sehen soll«, sagte Mathilde. »Er macht sich große Sorgen um dich. Aber zum Glück geht es dir ja gut.«
    »Gut? Ich werde langsam wahnsinnig! Seit Wochen will ich zu Harry, aber man lässt mich nicht!«
    »Sei froh, dass man sich um dich kümmert. In Les Milles hast du nichts verloren. Offenbar glauben sie, dass es im Lager nur so von Spionen wimmelt. Wenn du hinfährst, riskierst du, dass sie Harry dafür bestrafen. Außerdem ist nicht gesagt, dass er überhaupt noch da ist. Vielleicht haben sie ihn inzwischen in ein anderes Lager gebracht. Oder aber freigelassen.«
    »Und wenn sie ihn umgebracht haben?«, fragte Laura leise.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Mathilde. »Ganz bestimmt nicht.« Doch sie wich ihrem Blick aus.
    Es entstand ein beklommenes

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