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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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stießen sie ein zweites Mal an.
    »Wie kann ich das je wiedergutmachen?«, fragte Laura.
    »Mach dir darum keine Sorgen.« Lulu tätschelte ihre Wange. Dann setzte sie sich die Brille wieder auf die Nase und schlug ihr Anschreibebuch auf, um die Flasche Champagner einzutragen. »Wir werden schon eine Gelegenheit finden.«
    14
    Nein, die Götter hatten Harry nicht im Stich gelassen. Wie ein Lauffeuer hatte die Nachricht von seiner Entlassung sich in Les Milles herumgesprochen, und die Glückwünsche seiner Kameraden begleiteten ihn auf Schritt und Tritt. Dennoch konnte er sich an diesem Morgen seines Glücks nicht wirklich freuen. Schon seit über einer Stunde drängte ihn die Notdurft, und er stand noch immer in der Schlange vor der Latrine.
    »Lecker Eis! Schokolade! Vanille!«
    Laut rufend drängten zwei Häftlinge, die die Jauche der Aborte vor das Lager schleppten, mit ihren überschwappenden Kübeln an der Schlange vorbei, in der Harry darauf wartete, dass er endlich an die Reihe kam. Auf dem ganzen Gelände gab es nur sieben Abort e – für beinahe zweitausend Menschen. Manchmal standen bis zu hundert Gefangene vor den Holzverschlägen, die von Fliegenschwärmen ganz schwarz waren und einen infernalischen Gestank verströmten.
    »Wie hat der heilige Augustinus gesagt?«, seufzte Erich Hirngiebel, der Theologieprofessor aus Tübingen. »In faecibus nascimur, in faecibus morimur.«
    »Wie bitte?« Wilfried Kümmerich, ein Tierstimmenimitator aus Leipzig, verstand kein Latein.
    »Im Kot sind wir geboren. Im Kot sterben wir.«
    Harry verspürte ein solches Rumoren in den Gedärmen, dass er sich fast in die Hose machte. Wahrscheinlich war das die Kohlsuppe, die es am Vorabend gegeben hatte. Doch vor ihm standen noch über zwanzig Männer in der Reihe, und allein die Wachsoldaten hatten das Vorrecht, sich vorne anzustellen, egal wie lang die Schlange war. Im Prinzip musste man zwei Stunden im Voraus wissen, wann die Notdurft einen überkam, um halbwegs gesittet zu scheißen. Wenn Harry seinem Freund Pierre Lauréat dankte, dann nicht zuletzt dafür, dass er ihn von diesen Latrinengängen erlöste.
    »Ihr Augustinus war ein weiser Mann, Herr Professor«, sagte Wilfried Kümmerich. »Aber er hat die Zeit dazwischen vergessen. Wir verbringen im Kot unser ganzes Leben. Zumindest an diesem schönen Ort.«
    »Kopf hoch«, tröstete ihn Harry. »Hygiene wird maßlos überschätzt. Dass wir noch nicht verreckt sind, ist der Beweis.«
    »Na, Sie haben gut Witze machen«, sagte der Tierstimmenimitator. »Sie kommen hier ja bald raus.«
    Alois Waluschek, der nur ein paar Meter vor ihnen in der Schlange stand, drehte sich um.
    »So? Tatsächlich? Der Herr Künstler gibt sich die Ehre?«
    Harry genoss die neidvollen Blicke seiner Kameraden, ohne sich im Geringsten zu schämen. Vor zwei Tagen hatte man ihn auf die Kommandantur gerufen. Colonel Jospin, der ihm mit Handschlag zu der bevorstehenden Entlassung gratuliert hatte, war sichtlich beeindruckt gewesen von seinen Kontakten nach oben.
    »Allerdings«, erklärte Harry. »Der französische Ministerpräsident persönlich hat sich für mich eingesetzt. Auf Intervention meines Freundes Pierre Lauréat. Ein berühmter Dichter. Auch wenn Sie ihn vermutlich nicht kennen.«
    Es war ein solcher Genuss, das dem Fettsack ins Gesicht zu sagen. Doch zu Harrys Verwunderung schien Alois Waluschek nicht halb so beeindruckt wie der Kommandant.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte er mit seinem öden Wiener Dialekt. »Doch an Ihrer Stelle würde ich mich nicht auf Ihre Kommunistenfreunde verlassen. Könnte nämlich sein, dass Ihnen der Führer einen Strich durch die Rechnung macht.«
    Die Gespräche verstummten, und alle schauten Waluschek an. Der genoss die Aufmerksamkeit nicht weniger als zuvor Harry.
    »Wissen Sie irgendetwas, was wir nicht wissen?«, fragte Wilfried Kümmerich.
    »Kann schon sei n …« Scheinbar gleichgültig zuckte Waluschek die Schultern. »Haben die Herrschaften sich vielleicht mal gefragt, warum sie uns seit Monaten jeden Kontakt mit der Außenwelt verboten haben? Keine Frauen mehr am Zaun, keine Briefe? Weil sie die Hosen voll haben. Vor dem, was nun endlich eingetreten ist.«
    »Nun reden Sie schon! Was haben Sie im Radio gehört?«
    Während der dicke Wiener die Antwort hinauszögerte, kam Harry eine dunkle Ahnung. Vor einer Minute noch hatte er geglaubt, sein Drang zur Latrine sei sein größtes Problem. Doch sein Bedürfnis, sich zu entleeren, war mit einem Schlag

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