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Himmelsdiebe

Himmelsdiebe

Titel: Himmelsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Schweigen.
    »Wenn du mich fragst«, sagte Lulu, »solltest du zurück zu deinen Eltern fahren. Das wäre das Allerbeste.«
    »Nach England?«, erwiderte Laura. »Bist du verrückt?«
    »Bei deinen Eltern wärst du in Sicherheit. Wer weiß, was dich hier noch erwartet.«
    Laura schüttelte den Kopf. »Auf gar keinen Fall! Ich geh nicht von hier fort! Nicht ohne Harry!«
    »Madame Lulu hat vollkommen recht«, sagte Maître Simon. »Noch sind Sie hier sicher, aber wer weiß, was passiert, wenn die Nazis erst in Frankreich einfallen. Übrigens«, fügte er hinzu, »wenn es eine Frage des Geldes ist, ich wäre bereit, Ihnen Ihr Haus abzukaufen, zum selben Preis, den Sie bezahlt haben. Wie Sie vielleicht wissen, suchen meine Verlobte und ich schon seit Längere m …«
    »Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?«, fiel Laura ihm ins Wort. Sie kehrte dem Notar den Rücken zu und griff nach Mathildes Hand. »Sag, was würdest du an meiner Stelle tun?«
    Mathilde zögerte nur einen Augenblick, dann sagte sie: »Ich würde hier bleiben und auf ihn warten. Ich bin sicher, irgendwann lassen sie Harry frei, genauso wie Carl.«
    »Glaubst du wirklich? Carl ist Jude, Harry nur ein Künstler.«
    Mathilde gab keine Antwort. Stumm nahm sie Laura in den Arm und drückte sie an sich.
    »Hab keine Angst, sie werden ihm schon nichts tun. Schließlich sind wir in Frankreich.«
    Laura erwiderte ihre Umarmung. »Danke, dass du gekommen bist.«
    Eine Weile standen sie da und hielten sich wortlos an den Händen.
    »Das nächste Mal, wenn wir uns wiedersehen, backe ich eine Schwarzwälderkirschtorte für uns«, sagte Mathilde. Mit einem Ruck machte sie sich von ihr los. »Ich muss jetzt gehen. Carl wartet im Auto.«
    Sie gab ihr einen Kuss und verschwand zur Tür hinaus.
    Laura schaute ihr nach, wie sie den Weinberg hinunterging. Am Fuß des Weges wartete ein Mann mit Halbglatze und Brille neben einem alten, verbeulten Renault und rauchte. Als er Mathilde sah, warf er die Zigarette fort, um sie mit einem Kuss zu empfangen.
    »Sei nicht traurig«, sagte Lulu. »Maître Simon und ich sind schließlich auch noch da.«
    12
    Die folgenden Wochen war Laura so niedergeschlagen, dass sie ihr Dasein empfand wie ein übermächtiges Vakuum, das all ihre Gedanken und Gefühle in sich aufsog. Während Maître Simon sich um eine Besuchserlaubnis in Les Milles für sie bemühte, nahm die Passivität, zu der sie verdammt war, ihr jeglichen Antrieb, genauso wie jeglichen Appetit. Wenn sie überhaupt etwas aß, ernährte sie sich ausschließlich von Dosenerbsen, Kartoffeln und Kürbissuppe. Von Fleisch wurde ihr so schlecht wie von dem Orangenblütentee, von dem sie dennoch alle paar Stunden einen Becher trank, um sich zu übergeben. Die Krämpfe zerrissen ihr fast die Eingeweide, doch sie halfen ihr, den unerträglichen Druck im Magen wenigstens für Augenblicke nicht mehr zu spüren.
    Manchmal, wenn sie morgens aufwachte, fasste sie im Halbschlaf neben sich, doch stets griff ihre Hand ins Leere. Dann lag sie stundenlang im Bett, starrte gegen die Decke oder weinte, unfähig, den Tag zu beginnen. An manchen Tagen saß sie nur vor dem Haus und sprach mit dem Schaf. Dabei schaute sie auf das Tal, wie sie es früher getan hatte, wenn Harry im Dorf war und sie auf ihn wartete, und erzählte dem Tier den Inhalt der Briefe, die sie längst aufgehört hatte zu schreiben, weil Harry sie ja doch nie bekommen würde. An anderen Tagen wieder überfiel sie eine nervöse Unruhe, eine unerträgliche Rastlosigkeit, die sie aus dem Haus ins Freie trieb, wie ein innerer, unabweisbarer Zwang. Dann sammelte sie im Weinberg Schnecken, für die Lulu ihr Geld gab, einen Sou das Stück, oder sie arbeitete wie eine Verrückte im Garten, sodass die Bauern sich verwundert nach ihr umdrehten. Die Arbeit war ihr Purgatorium. Wenn der Schweiß ihr aus den Poren rann, hatte sie das Gefühl, sich zu reinigen, und sie arbeitete und schwitzte, bis all das Unreine, das Schmutzige, das Schlechte, das sie in sich spürte, durch die Haut aus ihr herausquoll. Doch kein einziges Mal ging sie hinunter zum Fluss, weder zum Wäschewaschen noch zum Schwimmen. Die Erinnerung an die Augenblicke ihres Glücks hätte sie nicht ertragen.
    Am schlimmsten aber waren die Abende. Sobald die Sonne unterging, senkte die Einsamkeit sich auf Laura herab wie ein grauer Nieselregen. Dann trank sie Wein und versuchte zu schlafen. Doch nur in wenigen Nächten fiel sie in taubes Vergessen. Meistens verweigerte der

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