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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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aber ich hörte noch etwas anderes. Eine Stimme, die ganz leise war, sich aber über alles andere erhob.
    Noa, runter!
    Ich kannte diese Stimme. Diesmal gehorchte ich ihr unverzüglich, warf mich auf den Boden und unter den Couchtisch.
    Emma schoss, vermutlich gegen die Decke, denn Putz bröckelte auf sie herab.
    Corbin, der bisher nur zugesehen hatte, nahm Marlon in den Würgegriff. Plötzlich hielt er ein Messer in der Hand, setzte es Marlon an die Kehle und starrte mich hasserfüllt an. »Stimmt es, was Emma sagt?« Sein Brüllen hatte nichts Menschliches mehr. »Hast du Marlon nur benutzt?«
    Â»Nein!«, stieß Marlon hervor, ohne sich um das Messer an seinem Hals zu scheren. Es dellte seine Haut ein.
    Â»Stimmt es?«, wiederholte Corbin.
    In meinem Kopf dröhnte es, ich konnte nur noch wimmern. »Nein, es stimmt nicht.«
    Â»Du lügst!«
    Â»Nein!«
    Â»Komm her und sag es mir ins Gesicht!«
    Ich kroch unter dem Tisch hervor, richtete mich auf und versuchte, Emma und die Pistole zu ignorieren. Ich konzentrierte mich darauf, Corbins Blick zu erwidern, damit er die Ehrlichkeit in meinen Augen sah. »Lass ihn los«, flüsterte ich. »Du tust ihm weh. Was bist du bloß für ein Arschloch. Bringst deinen eigenen Bruder in Gefahr, nur weil du mir nicht glaubst? Deinen eigenen Bruder, der ständig sein Leben aufs Spiel setzt, um deins zu retten!«
    Moment mal. Warum bedrohte Corbin eigentlich Marlon, wenn ich ihn doch – angeblich – verraten hatte? Das ergab doch keinen Sinn. Mein Hirn musste Schaden genommen haben, denn ich kam nicht mehr mit, verstand nicht mehr, was Corbin tat, und erst recht nicht, warum er es tat.
    Zuerst dachte ich, Corbin würde eine Grimasse ziehen. Dann erkannte ich, dass er lächelte. Was zum Geier ging hier bloß vor?
    Â»Waffe runter, Em, sie ist keine von denen«, meinte er und ließ Marlon los. »Test bestanden, Noa. Tut mir leid, aber wir mussten auf Nummer sicher gehen.«
    Das war der Moment, als meine Knie nachgaben. Ich ließ mich auf den Boden plumpsen und japste lautstark nach Luft.
    Ehe sich jemand versah, fuhr Marlon herum und verpasste seinem Bruder einen Kinnhaken, der ihn einen Meter zurückschleuderte.
    Corbin rieb sich das Kinn, Marlon die Faust. Sie starrten sich an, aber da war kein Misstrauen in ihren Blicken. Nur Wut und Sorge, verborgen unter schlecht gespieltem Ärger.
    Â»Ich bin diese Methoden so satt!«, zischte Marlon. »Ich hatte euch gesagt, dass sie uns nichts vormacht! Verdammt, ihr habt geschworen, mir zu vertrauen!«
    Dort, wo Corbin an Marlons Hals das Messer angesetzt hatte, erkannte ich einen feinen roten Striemen. Corbin hatte eine Narbe an der gleichen Stelle und mir wurde klar, wo er sie herhatte.
    Das war alles nur Show gewesen! Und die zogen sie nicht zum ersten Mal vor Publikum ab. Diese Arschlöcher hatten das inszeniert! Ein Theaterspiel, um meine Ehrlichkeit zu testen. Fassungslos wurde ich mir meiner eigenen Dummheit bewusst, denn das Ganze war ja nicht einmal besonders logisch gewesen. Trotzdem war ich im Schreck darauf reingefallen.
    Ich wollte nur noch fort. Aber meine Knie waren so weich – schon auf die Füße zu kommen, war eine Herausforderung. Ich schwankte, hielt mich an der Wand fest, lehnte das Gesicht gegen die dort aufgemalte Niere und heulte Rotz und Wasser. Als Marlon meinen Arm nahm, versuchte ich ihn wegzustoßen, aber er bugsierte mich zu seinem Bett, wo ich mich hinsetzen konnte. Er war wütend, auf Corbin und Emma, aber er brauchte mir nichts vormachen. Ich wusste, dass er Teil des Schauspiels gewesen war.
    Corbin besaß den Anstand, ein betretenes Gesicht zu ziehen. »Du musst das verstehen«, murmelte er, plötzlich kleinlaut. »Du hast meinem Bruder ganz schön den Kopf verdreht. Wir mussten ausschließen, dass ihm das den Hals bricht.«
    Â»Einen Scheißdreck muss ich. Ich gebe es auf, euch verstehen zu wollen. Kein Interesse, spart euch die Erklärungen.« Meine Stimme bebte. Alles an mir bebte.
    Emma stand noch immer das Misstrauen in den engstehenden Augen. Sie beobachtete mich, als könnte ich jederzeit aufspringen und ihnen allen die Kehlen durchschneiden. Ich bedauerte, dass mir diese Möglichkeit nicht zur Verfügung stand, sie hatte durchaus ihren Reiz.
    Ich wagte es nicht einmal, nach Marlon zu schlagen, der bleich neben dem Bett auf dem Boden hockte. Dicht zu meinen

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