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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Füßen, aber ich brachte es auch nicht über mich, ihn zu treten, obwohl ich das noch so schrecklich gern getan hätte. Ich sah ihn nur an, in der Hoffnung, dass die Vorwürfe in meinen Augen ihn da trafen, wo es wehtat.
    Â»Er wollte es nicht«, sagte Corbin und wies mit dem Daumen auf Marlon, der widersprechen wollte. Corbin ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Nein, sei still. Ich will, dass sie das weiß.« Er wandte sich mir zu, zog eine zerknüllte Packung Papiertaschentücher hervor und reichte sie mir mit weit ausgestrecktem Arm. Ich nahm sie, ohne seine Finger zu berühren.
    Â»Noa, wir hatten ernsthaft Grund zu der Annahme, dass du mit den Huntsmen zu tun hast. Wir mussten sichergehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie jemanden in unsere Reihen einschleusen, der sich harmlos gibt.«
    Emma hielt mir mein Handy entgegen, als wäre es ein blutbesudeltes Beweisstück. »Erklär uns doch bitte mal, wie Oliviers Handynummer in deine Anrufliste kommt! Er hat dich gestern angerufen. Was wollte er von dir? Hat er gefragt, wo Marlon als Nächstes hingehen wird?«
    Mir blieb nicht die Kraft, ihr zu sagen, dass meine Anrufliste sie nichts anging. Zu erfahren, dass es Olivier gewesen war, der mich in der Nacht angerufen hatte, drückte mir die Luft ab. »Er hat aufgelegt«, wisperte ich. »Und kein Wort gesagt, wirklich nicht. Kein Wort. Ich wusste nicht, wer da anrief, ich wusste es wirklich nicht, ich –«
    Â»Scht, ist gut.« Marlon rutschte näher, nahm meine Hand.
    Ich starrte auf unsere Finger. Wovon redete er überhaupt? Er sagte immerzu, alles sei gut, aber das glaubte er doch selbst nicht! Ich entzog mich ihm und steckte beide Hände zwischen die Matratze und meine Oberschenkel, um das Zittern nicht mehr sehen zu müssen.
    Â»Wie kannst du uns erklären«, redete Emma weiter auf mich ein, »dass in deiner Nähe ständig Huntsmen auftauchen?«
    Ich schrie: »Gar nicht! Und ich wünschte, es wäre anders. Diese Idioten haben mir genauso hinterhergeschossen!«
    Emmas Gesicht lief vor Wut rot an. In ihren Augen hatte ich den albernen Test noch lange nicht bestanden. Sie drehte auf dem Absatz um und knurrte etwas, das ich nicht verstand, Marlon aber sehr wohl.
    Er sprang auf. »Em, nein, das machst du nicht. Es ist genug!«
    Â»Komm schon, Emma«, unterstützte ihn Corbin, der nach Marlons Faustschlag eigenartig still geworden war. Sein Gesicht erschien mir fahl, seine Lippen dünner, ohne den überheblichen Schwung. »Sie hat wirklich nichts mit denen zu tun.«
    Emma stürmte an den beiden vorbei aus dem Zimmer, kam allerdings wenige Sekunden später wieder zurück und warf einen Gefrierbeutel vor meine Füße. Darin lag ein braunes Etwas von der Größe einer schmalen Hand.
    Â»Erklär mir das!«
    Marlon wollte die Tüte wegziehen, aber ich hatte den Inhalt schon erkannt. Ich hielt mir eine Hand vor den Mund, befürchtete, mich übergeben zu müssen. In dem durchsichtigen Plastikbeutel befand sich ein Vogel, ein toter Star. Man hatte ihm die Füße mit Kabelbinder zusammengeschnürt und die kleinen Augen aus den Höhlen gerissen – sie lagen wie schrumpelige Rosinen mit ihm in der Tüte.
    Â»Was ist das?«, wisperte ich unnötigerweise. »Was soll das bedeuten? Ist es …?«
    Marlon fing meinen entsetzten Blick auf. »Es ist keiner von uns, keine Harpyie.«
    Das beruhigte mich, aber nur ein wenig. Der arme kleine Vogel.
    Â»Es ist eine Botschaft.« Emma sah voller Abscheu auf mich herab. »An mich. Weißt du, was sie bedeutet?« Sie beugte sich zu mir und sprach flüsterleise weiter. »›Wir sehen dich, Emma!‹, das bedeutet sie. Der Vogel lag auf der Türschwelle unserer letzten Wohnung. Die Wohnung in dem leer stehendem Haus – du erinnerst dich? Ich habe ihn gefunden, weil ich etwas vergessen hatte. Sie müssen uns dort knapp verpasst haben. Und? Kennen sie unser neues Versteck schon? Hat Olivier dich gestern Abend danach gefragt?«
    Ich konnte nicht antworten. Allein den Kopf zu schütteln fiel mir schwer. Alles, was ich konnte, war, Emma anzustarren. Ein Vogel blickte aus ihren dunklen Augen auf mich zurück. Ein in Brauntönen marmorierter Star.
    Â»Du hast mir geglaubt«, sagte ich irgendwann leise. »Als ihr mich entführt habt, Marlon noch zweifelte und Corbin überzeugt war, ich würde

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