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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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wurde, und das war Ende Juli sehr spät der Fall. Mir war ein bisschen schwindelig vom Küssen und vor Hunger. Marlon überwand seinen Stolz und die Furcht vor frechen Kommentaren und rief seinen Bruder an, damit er uns abholte.
    Â»Zu dir nach Hause?« Corbin musterte mich durch den Rückspiegel.
    Â»Nein.« Meine Antwort war etwas lauter als nötig. Sie brachte Marlon dazu, sich aufrechter hinzusetzen. Ich hatte mich lange auf diese Worte vorbereitet und kostete nun jedes einzelne aus. »Ich komme mit zu euch. Mein Handy liegt noch in Marlons Zimmer.«
    Das war gelogen. Marlon hatte mir erzählt, dass sie es zerstört hatten und er mir ein neues kaufen wollte. Es war nicht auszuschließen, dass die Huntsmen das Gerät orten konnten.
    Ich unterdrückte ein Schmunzeln, als ich sah, wie viel Mühe es Marlon bereitete, sich unbeeindruckt zu geben.
    Corbin bewies Anstand, was ich ihm nicht zugetraut hätte, denn nach ein paar harmlosen Foppereien, was wir denn den ganzen Tag getrieben hätten, ließ er uns in Ruhe. Ich sprach kaum mehr als die nötigsten Worte mit ihm. Vielleicht konnte ich Marlon verzeihen, aber das schloss seinen Bruder nicht automatisch mit ein.
    Mein Magen knurrte die ganze Fahrt über, als hätte ich einen Wolf verschluckt. Corbin hielt unaufgefordert an einer Imbissbude, wo Marlon Currywurst und Fritten kaufte. Am liebsten hätte ich die Tüte schon im Wagen aufgerissen und die darin vor sich hin schwitzenden Pommes vernichtet. Stattdessen trugen wir sie ins Drachenhaus und aßen gemeinsam auf dem Wohnzimmerboden. Emma warf einen Blick ins Zimmer, rümpfte die Nase und verschwand wieder, was meiner Laune einen erheblichen Dämpfer versetzte.
    Â»Sie hat etwas gegen mich.«
    Â»Jepp, Rattengift«, meinte Corbin mit vollem Mund. »Du solltest aufpassen.«
    Ich hatte keinen Schimmer, wie ernst er das meinte.
    Marlon verdrehte die Augen. »Blödsinn. Emma ist nur überzeugte Vegetarierin. Sie fühlt sich von der Wurst beleidigt, nicht von dir. Nimm dich nicht immer so wichtig.« Er deutete ein Zwinkern an und ich entspannte mich.
    Â»Wie geht es jetzt weiter?«, wollte ich wissen, als wir kurz darauf seine Zimmertür hinter uns schlossen.
    Â»Ich fahre dich nach Hause?«
    Ich war mir sicher, dass er keine Frage formulieren wollte, vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein. »Das meinte ich nicht. Du hast mir immer noch nicht erzählt, was du an dem Steintor herausgefunden hast.« Wir waren tatsächlich noch nicht dazu gekommen, über diese Sache zu sprechen.
    Er fuhr sich fest über die Stirn, als drückten ihm die Gedanken darin gegen den Schädel. »Ich bin ehrlich gesagt etwas ratlos. Ich habe die Stimme im Stein kaum verstanden. Sie lag tiefer als alles, was ich bisher gehört habe.«
    Â»Tiefer?« Ich zog die Augenbrauen zusammen.
    Â»Stell es dir als unterschiedliche Ebenen vor.« Marlon untermalte seine Erläuterungen mit Gesten. »Die oberste Ebene sind die Lieder, die du gehört hast. Darunter liegt die eigentliche Botschaftsebene.«
    Â»Das hast du mir bereits erklärt, so weit habe ich es verstanden.«
    Â»Gut. Was ich aber nun in diesem Torbogen gehört habe, lag noch eine Stufe darunter. Kaum mehr wahrnehmbar. Ich habe nicht einmal gewusst, dass man so tief in einen Stein eindringen kann. Diese Informationen halten sich vermutlich ewig darin.« Er kratzte sich am Hinterkopf. »Wenn ich nur wüsste, wie ich sie da rausbekomme.«
    Ich ließ mich auf sein Bett sinken. »Hast du gar nichts verstanden?«
    Â»Schon.« Marlon ging ans Fenster und sah über die Dächer. »Es ist, als hätte ich die Mundbewegungen gehört, verstehst du? Das winzige Geräusch, das Lippen machen, wenn sie aufeinandertreffen.« Wurde er ein bisschen rot? »Und ich habe den Atem strömen hören. Den Takt der Worte, wenn du so willst.«
    Â»Kapier ich nicht«, schwindelte ich.
    Er setzte sich neben mich, Hüfte an Hüfte. »Mach die Augen zu, Noa.« Ich gehorchte und er flüsterte mir unverständliche Laute ins Ohr, ließ mich Lippenbewegungen hören und den Takt seines Atems spüren. Ich erahnte Worte wie Verstand, unglaublich, und meinte, meinen Namen zu verstehen. Mich zu konzentrieren fiel mir schwer, denn eine Gänsehaut wanderte mein Rückgrat rauf und runter. In meinem Magen spürte ich etwas, das sich so anfühlte

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