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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Dunkelgrünes aufblitzen. Auch er hatte nach Scherben gegriffen. Ich wog meine in der Hand. Sie hatten Pistolen. Wir Glasscherben. Prima Aussichten. Ich verbarg meine erbärmliche Waffe in den Falten meines Rockes und schlang die Arme um den Oberkörper. Besser, sie hielten mich für ein braves Opfer. Mehr als einen einzigen Überraschungsmoment hatten wir nicht.
    Â»Warte auf mein Zeichen«, raunte Marlon. »Dann lauf. Lass dich nicht aufhalten. Lauf, was immer auch passiert!«
    Unsere Blicke verflochten sich ineinander. Seiner war undurchschaubar. Ich ahnte dennoch, was er vorhatte, und bedauerte, ihn so gut einschätzen zu können. Er wollte sie aufhalten, damit mir die Flucht gelang.
    Â»Wenn du Dummheiten machst, Marlon, werde ich dir das nie verzeihen.«
    Â»Abgemacht.«
    Es ging ihm am Arsch vorbei, ob ich ihm verzieh.
    Ich wollte ihn schütteln und anschreien, aber mir blieb keine Zeit, denn die Tür wurde aufgeschlossen. Marlon kreuzte die Füße und stemmte sich hoch, die Hände immer noch hinter dem Rücken. Seine Fingerknöchel waren weiß, doch er hielt seine beiden Glasscherben ruhig, ohne das geringste Zittern.
    Olivier trat ein. Er trug etwas Schwarzes bei sich, unvermittelt schlug er es Marlon ins Gesicht. Marlon keuchte, ein Beben schüttelte seinen Körper. Ein Kratzer blieb auf seiner Wange zurück. Das Schwarze fiel vor mir zu Boden. Es war ein Rabe. Tot, die Füße mit dem gleichen Kabelband zusammengebunden, wie ich es schon bei dem Star gesehen hatte. Der Schnabel war leicht geöffnet, eine bläuliche Zunge hing zur Seite heraus. Ich presste mir die linke Hand auf den Mund. Noch lieber hätte ich mir Augen und Ohren zugehalten.
    Â»Ein Freund von dir? Er war unser Gast, schon eine ganze Weile. Leider wollte er uns irgendwann nichts mehr sagen. Verweigerte heute Nacht endgültig die Mitarbeit und verwandelte sich. Schade.«
    Ich biss die Zähne zusammen. Das war also der Verräter. Sie hatten die Informationen durch Folter aus ihm herausgepresst und ihn getötet, als sie ihn nicht mehr brauchten. In meinen Augen brannten Tränen für den Menschen, der dieser Vogel gewesen war.
    Â»Ich hoffe, du bist eine ergiebigere Quelle«, sagte Olivier zu Marlon. »Das Mädchen kann gehen.«
    Ich schnappte nach Luft, merkte erst jetzt, dass ich den Atem angehalten hatte. Plötzlich wurde mir schwindelig. »Ihr lasst mich frei?«
    Â»Du gehörst nicht zu denen.« Olivier sah auf mich nieder, als wäre plötzlich Mitleid in ihm ausgebrochen. Er hielt mir die Hand hin, als wollte er mir aufhelfen. »Du kannst mit mir zum Haus kommen. Wir lassen dich gehen, sobald hier alles vorbei ist. Wenn diese Kreatur erledigt ist, wirst du wieder frei sein. Die böse Magie, die sie wirken lassen, um euch zu beeinflussen, ist sehr stark. Aber nicht von Dauer.«
    Seine Worte zogen an mir vorbei wie Wolken. Greifen konnte ich sie nicht. Ich machte mich kleiner, duckte mich vor seiner Hand.
    Â»Du kannst uns vertrauen«, fuhr er fort. »Wir haben dir eine Blutprobe entnommen und wissen nun, dass du keine von denen bist.«
    Das erklärte die Einstichstelle. Ich starrte auf den winzigen roten Punkt. Ich zitterte und hätte mich am liebsten auf dem Boden zusammengerollt. »Bei Anna-Lena habt ihr nicht nach Blutproben gefragt.«
    Er wusste sofort, von wem ich sprach. Von Corbins Freundin, die wie ich ein normales Mädchen gewesen war.
    Olivier kniete sich neben mich, sah auf den Boden vor meinen Füßen statt in meine Augen.
    Tu etwas, beschwor ich Marlon in Gedanken. Er hätte Olivier in diesem Moment die Nase aus dem Gesicht treten und die Kehle durchschneiden können, doch er stand still und reglos da, den Kopf gesenkt.
    Â»Wir haben aus unserem Fehler gelernt«, erklärte Olivier schließlich und sah mich an. »Dieses Mädchen hätte nicht sterben müssen. Sie haben sich hinter ihr versteckt. Wir sind darauf reingefallen. So etwas darf nicht passieren. Es gibt keinen unter uns, der das nicht bedauert.«
    Â»Lass uns beide gehen.« Ich erwiderte seinen Blick, so eisern ich konnte, was sicherlich wenig eindrucksvoll war, kauerte ich doch noch immer auf dem Boden.
    Â»Das willst du nicht«, entgegnete Stephan Olivier überraschend sanft. »Er pflanzt dir diesen Wahn ein. Er versteckt sich hinter dir, so wie sich sein Bruder hinter diesem armen Mädchen versteckt

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