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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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fand.
    Â»Noch mal zu dem Gift«, sagte ich mit vollem Mund. »Ihr könntet mich doch wieder mit Chloroform betäuben.«
    Marlon zog eine Augenbraue hoch. »Hast du Gefallen daran gefunden? Nichts da. Keine Macht den Drogen.«
    Fast hätte ich gelacht. »Um mich zurückzubringen«, erklärte ich ungeduldig. »Dann würde ich nichts mitbekommen und könnte demnach auch niemandem verraten, wo ihr euch versteckt.«
    Er legte den Kopf schief und sah mich wieder auf diese unangenehm musternde Weise an. Es schien, als würde er mehr sehen als bloß mein Gesicht. Als könnte er hinter meine Fassade blicken und wenn schon nicht meine Gedanken, dann doch zumindest meine Gefühle lesen. Seine schwarzen Augen machten mich nervös. Ich hatte noch nie jemanden mit rabenschwarzer Iris gesehen, aber da war tatsächlich kein Hauch von Braun, sodass man unmöglich sagen konnte, wo die Pupille aufhörte und die Regenbogenhaut begann. Wobei Regenbogenhaut in diesem Fall ein schlechter Scherz war. Selbst der Nachthimmel war bunter als diese Augen. Zu spät fiel mir auf, wie lange ich ihn angestarrt hatte. Ich spürte meine Wangen erröten, verfluchte mich dafür im Stillen und räusperte mich.
    Â»Das wäre doch eine Möglichkeit. Ich könnte nach Hause und ihr wärt mich los. Bei meinen Eltern gibt es ohnehin nichts zu holen, wir haben nicht genug, um Lösegeld zu –«
    Â»Darum geht es nicht und ging es nie!«, unterbrach Marlon mich, sprang auf und stieß seinen Stuhl dabei mit erschreckender Heftigkeit zurück. »Wir wollen kein Geld. Los, komm jetzt.«
    Â»Wohin?«
    Ich hätte nicht fragen müssen. Er brachte mich zurück in meine Zelle. Wohin auch sonst.
    Â»Ãœberleg dir das mit dem Chloroform!«, bat ich ihn durch die Tür hindurch, als er abschloss. Nein, ich bat ihn nicht. Ich flehte. Und ich hasste mich dafür, denn ich wollte kein bettelndes Opfer sein. »Bitte, Marlon. Bitte!«
    Er gab keine Antwort und das demütigte mich weit mehr, als zu pinkeln, während er danebenstand.
    Ich ließ mich wieder auf der Matratze nieder, vergrub das Gesicht in den Händen und weinte, bis ich solche Kopfschmerzen bekam, dass mir übel wurde und das Frühstück retour kam. Ich übergab mich, brüllte: »Ich hasse euch!«, und würgte erneut.
    Der Morgen verging still. Mittags begann ich, SOS-Signale gegen die Wände zu klopfen. Irgendwann antwortete ein Bollern, doch es klang eher nach einem Besenstiel. Also trat ich auf die Heizung ein und schrie um Hilfe, so laut ich konnte.
    Marlon stürzte ins Zimmer und drohte mir mit knappen Worten, mich zu fesseln und zu knebeln, wenn ich nicht aufhörte. »Ich will das nicht, bitte zwing mich nicht dazu, es ist so schon schlimm genug«, waren seine Worte.
    Seine Unverschämtheit raubte mir den Atem. Wie konnte er es wagen, mich zu entführen und mich gleichzeitig dafür verantwortlich zu machen, dass er sich schlecht fühlte? Wie konnte er mir vorwerfen, hier rauszuwollen? Meine Angst verpuffte, zurück blieb ein solcher Zorn, dass ich mich auf ihn stürzte, ihm beide Fäuste ins Gesicht schlug und das Knie in die Weichteile rammte. Er stöhnte vor Schmerz, bekam aber meine Hände zu fassen.
    Â»Ist gut, ist schon gut, schon gut!«, japste er, was mich nur noch wütender machte. Er war der Letzte, der mir zu sagen hatte, was gut war.
    Ich brüllte: »Nichts ist gut. Gar nichts!« Und das war seine Schuld.
    Â»Okay«, stieß er hervor. Er zog die Luft ein, weil ich ihn mit dem Fuß hart am Knie erwischt hatte. Immer wieder wiederholte er seine Worte. »Ist okay, ist schon gut, alles okay.«
    Irgendwann ließ ich von ihm ab, da meine Hände in seinem festen Griff nutzlos waren und er den meisten meiner Tritte auswich. Ich warf meine Schuhe gegen die Wand, rollte mich in meiner Matratzenecke zu einer Kugel zusammen und weinte tränenlos. Eine Weile blieb er bei mir, schwer zu sagen, wie lange. Dann ging er ohne ein weiteres Wort. Ich begann am ganzen Leib zu zittern und sackte irgendwann in einen traumzerfetzten Schlaf.
    Pure, alles beherrschende Angst erfüllte mich. Ich musste weglaufen, doch meine Glieder kamen nicht gegen die zähe Masse an. Ich kam nicht vom Fleck.
    Nicht weitergehen.
    Auf meinem Rücken hockte ein garstiges kleines Geschöpf von der Größe einer Ratte. Es grub seine Klauen tief in

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