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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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mein Fleisch, klammerte sich mit den Krallen an meiner Wirbelsäule fest und rief meinen Namen.
    Noa. Noa! Nooaaa!
    Ich versuchte, das Monster abzuschütteln. Doch es klebte wie ein Klecks heißer Teer unterhalb meines Nackens. Manchmal bewegte es sich leicht hin und her, glitt wie eine Schlange über meine Haut. Gleich würde es mich an anderen Körperstellen berühren – ich spürte sein Verlangen, mich überall zu berühren. Flucht war sinnlos, ich kam nicht von der Stelle. Meine Schreie verhallten auf meinen Lippen, nur ein mattes Stöhnen war zu hören.
    Noanoanoa …
    Â»Noa! Wach auf.«
    Nur langsam zerfiel der Traum und vor meinen blinzelnden Augen entstand die Realität. Oder war es ein weiterer Traum? Es fühlte sich unwirklich an, noch unwirklicher als das Monster von eben. Ich lag bäuchlings auf der Matratze. Neben mir hockte Marlon. Seine Hand klebte zwischen meinen Schulterblättern. Ich spürte seine Wärme durch den dünnen Stoff meines durchgeschwitzten Tops.
    Â»Hey.« Er lächelte. Sein Anblick in diesem Moment ließ sich kaum in Worte fassen, mir fiel nur eins ein: surreal. Dieses Surreale verlieh Marlon etwas Wunderschönes, weil nichts davon echt war. Nur ein Traum, oder etwa nicht? Er wirkte wie die Konstante in einem Wirbel aus Chaos.
    Durch den wattigen Halbschlafschleier drangen Sätze an mein Ohr. Eine Dialogzeile aus Giraudoux’ Stück Undine , dessen Hauptfigur ich beim Schultheater gespielt hatte. In miteinander verschlungenen Worten hörte ich mich selbst die beiden letzten tragischen Zeilen hauchen. »Wenn doch alles anders wär. Ach, wie schade. Wie hätt ich ihn geliebt.«
    Ich schüttelte den Kopf, jagte den Traum fort und erwachte gerade rechtzeitig, als Marlon Anstalten machte, mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen.
    Â»Hey, bist du okay –?«
    Ich schlug seine Hand weg. »Fass mich bloß nicht an!«
    Â»In Ordnung, ist gut.« Langsam, als wäre ich bewaffnet, hob er die Hände und wich ein Stück zurück. »Komm, beeil dich. Steh auf und zieh deine Schuhe an.« Er hatte sie mir schon bereitgestellt.
    Ich gehorchte und folgte ihm aus dem Zimmer. In der ganzen Wohnung war es still. Zunächst wagte ich nicht zu fragen, wohin wir gingen. Hoffnungen können nur zerstört werden, wenn man welche hat, richtig? Doch als wir sowohl am Bad als auch an der Küche vorbeigingen und uns der Tür näherten, hinter der ich das Treppenhaus vermutete, klopfte mein Herz schneller. Ob aus Aufregung, Freude oder Angst, konnte ich nicht sagen.
    Marlon presste die Lippen zu einem blassen Strich zusammen, sodass seine Wangenpartie steinhart wirkte. Ich konnte das Blut an seinem Hals pulsieren sehen, so angespannt war er. Was hatte er vor?
    Â»Wohin gehen wir?«
    Â»Ich bringe dich nach Hause. Sei jetzt still. Kein Wort!«
    Euphorie ließ meinen Körper zittern. Ich fühlte mich schwindelig und musste mich auf dem Weg durchs Treppenhaus am Geländer festhalten. Peripher bemerkte ich, warum niemand in diesem Haus auf meine Rufe reagiert hatte. Fast alle Wohnungen schienen leer zu stehen. Vielleicht war es eins dieser Abrisshäuser, die nur noch standen, weil die eine oder andere störrische Mietpartei sich gegen den Auszug wehrte.
    Vor dem Haus fühlte ich mich vollkommen desorientiert. Die Gegend war mir fremd, ich konnte keine Straßenschilder entdecken, nur die Hausnummer: 87. Fast unwirklich erschien mir die Wärme der Sonne auf der Haut, als wäre ich Wochen im Finsteren eingesperrt gewesen. Ich musste blinzeln, weil es so hell war.
    Am Straßenrand stand ein schwarzer Sportwagen. Zwar flackerte der Impuls auf, dass ich mir das Kennzeichen merken sollte, aber ich vergaß die Buchstaben und Zahlen nahezu im gleichen Moment wieder. Mein Kopf schwamm vor Glück, wieder frei zu sein.
    Marlon öffnete mir die Beifahrertür wie ein englischer Butler und nahm hinter dem Lenkrad Platz. Er drehte das Radio leiser, bevor er den Motor startete. Ein Song von Linkin Park ertönte, untermalt vom Schnurren des Wagens. Ich mied jeden Blick in einen der Spiegel, vermutlich würde mir mein fürchterlich verquollenes Gesicht Angst machen. Meine Wangen glühten und meine Lider brannten vom Weinen. Es war vollkommen egal; ich wollte einfach nur noch nach Hause.
    Â»Warum lasst ihr mich plötzlich gehen?«, fragte ich, weil ich das Schweigen nicht

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