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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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gekommen war. Im flachen Wasser machte er drei Gestalten aus. Von Neugier und Erregung getrieben, lief er durch die aufspritzenden Wellen und kniete neben ihnen nieder. Ihr Anblick, die menschlichen Umrisse mit den Gesichtszügen von Raubfischen, eingerahmt von langem Algenhaar, machte ihm keine Angst. Ihre glänzenden Schuppen faszinierten ihn, wie goldener Schmuck es nicht vermochte. Seine Antwort war gegeben, bevor sie ihm die Frage stellten. Sie hätten ohnehin kein Nein akzeptiert.
    Â»Wirst du …«, begann das erste Wesen, »… deine Sehnsüchte erfüllen?«, fragte das zweite.
    Â»Und«, das dritte stieß ein Zischen aus, »somit auch das Sehnen unserer Rasse nach dem Leben an Land stillen?«
    Der Junge schauderte vor Dankbarkeit. »Ihr ahnt nicht, wie viele Jahre ich darauf bereits warte. Aber lasst euch gewarnt sein vor dem Leben an Land.« Bitterkeit vergiftete sein Herz, als er an die Jahre der Entbehrungen dachte. »Dort gibt es nichts, was ihr wollt.«
    Die drei Wesen lachten. Geräusche, als würden Kiesel durch eine metallene Schale schrammen.
    Â»Du Dummkopf! Wir wollen nicht …«
    Â»â€¦Â das Land.«
    Â»Nur das Leben.«
    Â»Das teure Leben.«
    Â»Köstliches Leben.«
    Â»Das Leben. Das Leben, nur das Leben.«
    Mit einem Mal wurden alle drei ernst. »Du musst den Pakt unterzeichnen«, sprachen sie im Chor. »Dreimal unterzeichnen. Drei Versprechen musst du uns geben, die dein Volk auf immer halten wird. Das ist der Preis.«
    Â»Der Preis! Der Preis! Der Preis!«
    Â»Zier dich nicht, ist doch ganz billig!«
    Brijan schluckte, als eins der Wesen seine klauenbewehrte Hand hob und seine Lippen mit Wasser benetzte. Der Geschmack des Meeres ließ ihn aufseufzen.
    Â»Willst du es?«, schnurrte das Wesen.
    Â»Ja. Nennt mir den Preis.«
    Â»Den«, die glitschigen Hände der Kreatur strichen über Brijans Wangen, durch sein Haar und über seine bloße Brust, wo sie das Brennen seiner geschundenen Haut linderten, »wirst du erfahren, wenn du unterzeichnet hast. Bist du bereit?«
    Â»Bist du …«
    Â»â€¦Â bereit?«
    Er war es. Es war keine Erklärung vonnöten, instinktiv wusste er, was er tun musste. Er senkte die Hand und das Meer wurde starr wie ein Spiegelbild des nächtlichen Himmels. Die Winde hielten den Atem an, die Wellen verharrten still. Mit den Fingerspitzen zog der Junge seine Signatur in die Oberfläche: Brijan vom Trassdeich.
    Â»Der …«
    Â»â€¦Â erste …«
    Â»â€¦Â Preis, der zu zahlen ist!«, säuselten die Wesen. Sie nahmen den Jungen bei den Händen und zogen ihn in die Tiefe.
    Wasser flutete seine Lungen, dehnte sie, überforderte sie, bis sie unter Qualen rissen und er einen roten Schweif aus Blut hinter sich herzog. Er starb. Und wurde wiedergeboren als Chimäre. Nicht mehr Mensch, nicht Fisch, nicht Monster. Sondern etwas Fremdes, doch kein Aussätziger mehr. Sondern selbst ein Vater, ein Meister, ein König. Der Gott einer neuen Rasse.
    Â 
    Es ist spät. Schlaf gut, Mag.
    Ich starrte auf die letzte Zeile und fühlte mich ertappt. Beobachtet. Hastig schlug ich die Decke zurück und sah mich in meinem Zimmer um. Ich war allein. Natürlich war ich allein. Marlon hatte vermutet, dass ich die Geschichte noch am selben Abend lesen würde, darum hatte er den letzten Satz daruntergesetzt. Merkwürdig war nur, dass er kein Wort mehr geschrieben hatte, als ich in der Hütte gewesen war. Er musste es darauf angelegt haben, mir an diesem Abend zu begegnen, das war kein Zufall gewesen. Und wieder dieser Name. Mag.
    Ich schüttelte den Kopf, war viel zu verwirrt, um über die Bedeutung der Geschichte nachzudenken. Marlon hatte mir Antworten versprochen und gab mir … das?
    Schweiß stand auf meiner Stirn, weil ich die ganze Zeit unter der Bettdecke gelesen hatte. Und das Papier war durch meinen kondensierten Atem leicht aufgeweicht. Ein paar der tintenschwarzen Buchstaben waren aufgequollen oder es wuchsen winzige Triebe an ihren Rändern, mit denen sie sich am Papier festklammerten.
    Ich trat noch einmal ans Fenster und lugte zwischen den Vorhängen hindurch. Dass er mir schon wieder einen Schritt voraus war, ärgerte mich. Er konnte mir eine gute Nacht wünschen, was mir nicht möglich war. Ungerecht! Aber Moment mal. Ich nahm mein Handy von der Fensterbank und tippte meine

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