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Himmelsfern

Himmelsfern

Titel: Himmelsfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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Friedhof überqueren müssen. Der Ausgang war viel näher, er lag gleich hinter der Kapelle, also hielt ich darauf zu. Doch als ich um den kleinen Backsteinbau eilte, bereute ich diesen Entschluss augenblicklich.
    Auf der Wiese zwischen Kiesweg und Kapelle rangen zwei ineinander verkeilte Männer miteinander. Einer davon war … Marlon, auch wenn er schwer zu erkennen war, gefangen im Schwitzkasten des anderen, mit blau angelaufenem Gesicht und Blut unter der Nase. Zuerst wollte ich es nicht glauben. Inzwischen traute ich meinem Verstand wirklich jedweden Streich zu.
    Â»Hau ab!«, krächzte Marlon, als er mich sah, und nahm mir damit meinen letzten Funken Hoffnung, hier würde sich irgendjemand anders, der ihm zufällig ähnlich sah, auf dem Friedhof prügeln. Herrgott, wer tat denn so was!
    Mir lag bereits ein passender Kommentar auf der Zunge, der die beiden zur Räson bringen sollte. Doch dann fielen mir die Handschuhe von Marlons Gegner auf und das Holster, das unter seiner offenen Weste hervorblitzte. Und schließlich – zeitverzögert, als hätte mir mein Verstand einen Moment Ruhe gönnen wollen – erkannte ich, worum sie da kämpften.
    Der fremde Kerl hatte eine Pistole mit Schalldämpfer in der Hand.
    Marlon hielt den Arm des Mannes mit beiden Händen umklammert, sodass der Lauf zu Boden zeigte, aber sein flaches Japsen machte deutlich, dass er das nicht mehr lange durchhalten würde. Sein Gegner quetschte ihm brutal die Luft ab. Marlon versuchte sich zu befreien, aber er hatte keine Chance. Reflexartig packte ich nach meinem Handy, da brüllte Marlons Widersacher: »Schnell! Rufen Sie die Polizei!« Verwirrt hielt ich in der Bewegung inne. Die Polizei würde doch nicht ihm helfen, oder?
    Ohne zu wissen, was ich tat, setzte ich alles auf eine Karte. »Halt durch, Marlon! Hilfe ist auf dem Weg, sie sind fast da!«
    Mein kümmerlicher Plan ging auf. Der Blick des mir fremden Mannes schoss nach oben, er starrte mich an. Marlon brauchte nicht mehr als diese winzige Ablenkung. Er löste eine Hand vom Arm seines Gegners, ballte die Faust und drosch sie dem Mann in einer Aufwärtsbewegung unter die Nase. Blut spritzte und mir wurde kurzzeitig so schwindelig, dass mir der folgende Schlagabtausch entging. Ich bekam nur noch mit, wie Marlon dem Angreifer beide Handflächen links und rechts auf die Ohren schlug, ihn an den Haaren packte und seinen Kopf nach unten riss, während sein Knie hochschoss. Ein grauenvolles Krachen vermischte sich mit einem Stöhnen. Der Mann sackte in sich zusammen. Nun gab es kein Halten mehr – ich rannte zum Tor. Marlon war dicht hinter mir und zunächst wusste ich nicht, ob er mich jagte oder ob wir gemeinsam flohen.
    Â»Warte!«, rief er. Widerwillig gehorchte ich und sah mich um. Er lief zurück zu dem Mann, der bewusstlos am Boden lag, hob die Pistole auf und steckte sie in seinen Hosenbund. Dann zog er sich die durchnässte Kapuze seiner Sweatjacke über den Kopf und tief ins Gesicht.
    Â»Verflucht, was machst du hier?«, fuhr er mich an. Er packte mich an den Schultern, als wollte er mich durchschütteln. Ich konnte nicht anders und würgte ein blödes Lachen hervor.
    Â»Ich dachte, du wärst weg«, stieß ich hervor, woraufhin er die Hände von mir riss, sie erhob wie zur Kapitulation und dann fallen ließ.
    Â»Das wäre ich besser. Wir müssen von hier verschwinden. Schnell!«
    Â»Aber …«
    Marlon griff meine Hand, zog mich zum Ausgang und ich verstand überhaupt nichts mehr.
    Â»Mein Vater ist noch auf dem Friedhof!«
    Â»Keine Angst, dem passiert nichts«, rief er mir zu. Mit dem Ärmel wischte er sich das Blut von der Oberlippe. »An deinem Vater haben sie kein Interesse.«
    Aber an mir? War das wieder einer dieser Huntsmen gewesen? Liefen hier noch mehr von denen rum?
    Ich wollte mich losreißen, wollte nach Antworten verlangen, doch ich wusste, dass Marlon mir jetzt keine geben würde – keine geben konnte. Ich hörte, mit welchem Tempo ihm der Atem durch die Brust rasselte, sah die Angst in seinen Augen und spürte sie durch seine Hand, die meine so krampfhaft umschloss, dass es wehtat. Also rannte ich ihm einfach hinterher, vom Friedhof runter, eine Straße entlang, um zwei Ecken, bis wir ein Wohngebiet erreichten.
    Marlon ließ mich los, sprang auf die Straße und versuchte ein vorbeirauschendes Taxi anzuhalten, doch

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