Himmelsgöttin
war ein glatter Durchschuß. Die Eintrittswunde hatte den Durchmesser eines Bleistifts, und die Austrittswunde war etwa so groß wie ein Kronkorken. Was Tuck erstaunte, war die Tatsache, daß Kimi nicht verblutet war. Der alte Kannibale hatte gute Arbeit geleistet.
»Bring ihn nicht zum Medizinmann«, sagte Sarapul. »Der Medizinmann wird ihn töten. Er ist der einzige Seefahrer«, flehte der alte Kannibale, obwohl er sich alle Mühe gab, möglichst wild zu erscheinen. Doch ein Schluchzer verriet ihn. »Er ist mein einziger Freund.«
Tuck betrachtete die Wunde, um dem Alten die Gelegenheit zu geben, sich wieder zu fangen. Soweit er sich erinnerte, lagen in dieser Gegend keine lebenswichtigen Organe. Die Wunde mußte allerdings genäht werden. Tuck wußte nicht genau, ob sein Magen das mitmachen würde, aber Sarapul hatte einfach recht. Zu Curtis konnte er Kimi unmöglich bringen.
»Habt ihr irgendwas, das ihr benutzt, um Schmerzen abzutöten?«
Der Kannibale sah ihn fragend an.
Tuck kniff ihn, und er schnappte nach Luft. »Schmerzen. Habt ihr irgendwas, damit die Schmerzen aufhören?«
»Ja. Mach das nicht wieder.«
»Nein. Für Kimi.«
Sarapul nickte und ging hinaus in die Dunkelheit. Einige Sekunden später kehrte er mit einem Einmachglas zurück, das zur Hälfte mit einer milchig-weißen Flüssigkeit gefüllt war. »Kava«, sagte er. »Macht dich nicht autsch.«
Tuck schraubte den Deckel ab, und ein Geruch wie von gekochtem Kohl strömte ihm entgegen und schlug auf seine Geruchsnerven. Er hielt den Atem an, nahm einen kräftigen Zug von dem Gebräu, kämpfte gegen den Brechreiz an und schluckte. Sein Mund wurde augenblicklich taub. »Wow, damit müßte es klappen. Ich brauche eine Nadel und Faden und heißes Wasser. Und Alkohol oder Peroxyd, falls du welches hast.«
Sarapul nickte. »Ich habe Neospirin auf ihn getan.«
»Du kennst dich damit aus. Warum mache ich das dann?«
Sarapul zuckte mit den Achseln und ging aus dem Haus. Wie's aussah, war das einzige, was er wirklich im Haus aufbewahrte, sein knochiger alter Arsch.
Kimi stöhnte, und Tucker rollte ihn herum. Flatternd schlug der Seefahrer die Augen auf.
»Boß, dieser Hundeficker hat auf mich geschossen.«
»Curtis. Der etwas ältere weiße Kerl?«
»Nein. Japanischer Hundeficker.« Kimi strich sich mit dem Zeigefinger über die Kopfhaut, und Tucker wußte genau, wen er meinte.
»Was hast du gemacht, Kimi? Ich hab dir doch gesagt, daß ich nach Sepie schauen würde und mich dann mit dir treffe.« Tuck stellte fest, daß seine Glieder von einer wohligen Taubheit befallen wurden. Dieses Kava-Zeug war genau das richtige.
»Du nicht gekommen. Ich mir Sorgen machen um sie.«
»Ich mußte fliegen.«
»Sarapul sagen, diese Leute sehr böse. Du solltest hierherkommen und hier leben, Boß.«
»Sei still. Trink das hier.« Er hielt Kimi das Glas an die Lippen, so daß er trinken konnte. Der Seefahrer nahm einen Schluck, und Tuck gönnte ihm eine kleine Pause, bevor er ihm eine weitere Dosis einflößte.
»Diese Zeug ganz furchtbar«, sagte Kimi.
»Ich werde dich jetzt gleich zusammenflicken.«
Die Augen des Seefahrers weiteten sich vor Schreck. Er nahm Tuck das Glas aus der Hand und trank gierig, bis Tuck es ihm aus den Händen riß. »Es wird schon nicht so schlimm werden.«
»Nicht für dich.«
Tuck grinste. »Hast du noch nichts davon gehört? Ich bin hierher geschickt von Vincent.«
»Sarapul das sagen. Er sagen, er nicht glauben an Vincent, bis wir hierherkommen. Nun er glauben.«
»Wirklich?«
Sarapul kam mit einem Arm voll Schachteln und Flaschen zur Tür herein. »Ich das nicht sagen. Dieser Hundeficker lügt.«
Tuck schüttelte den Kopf. »Ihr zwei seid wie geschaffen füreinander.«
Sarapul stellte ein Nähset und eine Flasche Peroxyd auf den Boden, beugte sich dann über den Navigator und sah Tuck fragend an. »Kriegst du ihn wieder hin?«
Tuck grinste und kniff den alten Kannibalen in die Wange. »Hmm, lecker«, sagte Tuck.
»Tut mir leid«, sagte Sarapul.
»Ich werd ihn wieder hinkriegen«, sagte Tuck und bat schweigend darum, daß Vincent ihm helfen möge.
»Ich kann meine Arme nicht spüren«, sagte Kimi. »Meine Beine, wo sind meine Beine. Ich sterbe.«
Sarapul schaute zu Tuck hinüber. »Gut«, sagte er. »Mehr Kava.«
Tuck nahm das Glas, das mittlerweile nur noch zu einem Viertel gefüllt war. »Das Zeug ist spitzenmäßig.«
»Ich sterbe«, sagte Kimi.
Tuck rollte Kimi auf die Seite. »Kimi, hab ich dir
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