Himmelsgöttin
daß er hier rauskam, ohne jemandem davon Bescheid zu geben, oder? »Die Leute beim Star, die für mich arbeiten, und ein Freund von mir bei AP, den ich wegen einiger Hintergrundinformationen angerufen habe, bevor ich mich auf den Weg gemacht habe.«
»Oh, das ist gut«, sagte sie immer noch lächelnd. Pardee war sehr zufrieden mit sich selbst – er konnte gar nicht anders, denn es war lange her, seit ihm zum letzten Mal eine schöne Frau ihre Aufmerksamkeit geschenkt hatte, ganz zu schweigen von Anerkennung.
Sie zog die Plastikhülle von der Nadel. »Nun denn, bevor ich Ihnen die Spritze gebe, noch ein paar medizinische Fragen, okay?«
»Klar, schießen Sie los.«
»Sie rauchen und trinken exzessiv, korrekt?«
»Von Zeit zu Zeit fröne ich diesen Lastern. Das bringt ebenfalls der Beruf so mit sich.«
»Ich verstehe«, sagte sie. »Und haben Sie jemals einen Aids-Test durchführen lassen?«
»Vor einem Monat. Was das angeht, bin ich blitzsauber.« Das war die Wahrheit. Der Grund, warum er sich dem Test unterzogen hatte, war ein seltsamer Ausschlag auf seinem Bauch gewesen, der sich dann aber als Krätze entpuppte. Der Sanitäter von der Navy hatte ihm eine Salbe gegeben, die die Sache in wenigen Tagen zum Verschwinden brachte.
»Hatten Sie jemals Hepatitis, Krebs oder eine Nierenerkrankung?«
»Fehlanzeige.«
»Und in Ihrer Familie? Gibt es da Fälle von Nierenleiden oder Krebs?«
»Nicht daß ich wüßte, aber ich habe seit fünfundzwanzig Jahren mit niemandem aus meiner Familie gesprochen.«
Just darüber schien sie besonders erfreut. »Sie sind nicht verheiratet? Keine Kinder?«
»Nein.«
»Sehr gut«, sagte sie. Sie stieß ihm die Nadel in die Schulter und drückte den Kolben durch.
»Autsch. Hey, Sie hätten mich ruhig warnen können. Außerdem, muß man die Stelle nicht vorher mit Alkohol abwischen oder so?«
Sie schritt zur Tür und lächelte erneut. »Ich glaube nicht, daß es zu einer Infektion kommt, die ein Problem darstellen könnte, Mr. Pardee. Und jetzt verfallen Sie nicht in Panik, aber in ein oder zwei Minuten werden Sie einschlafen. Ich kann es einfach nicht fassen, daß Sie mir die Geschichte mit der Enzephalitis abgekauft haben. Das Leben in den Tropen läßt die Leute verblöden, glauben Sie nicht auch?«
Sie verschwamm allmählich, und die Linien des Raumes begannen sich zu heben und zu senken, als ob das ganze Gebäude atmen würde. »Was war in …?« Seine Zunge war zu schwer und träge, er brachte die Worte einfach nicht mehr heraus.
»Sie haben keinen Mitarbeiterstab, und Sie haben auch niemanden bei AP angerufen, Mr. Pardee. Das war eine dumme Lüge. Als Todesursache müssen wir wohl ›Selbstüberschätzung‹ eintragen.«
Pardee versuchte aufzustehen, doch seine Beine wollten ihm nicht gehorchen. Er rutschte von seinem Stuhl, die Beine nach vorne abgespreizt.
Beth Curtis beugte sich über ihn, zog eine Schnute und redete mit ihm wie mit einem Kleinkind. »Sind die kleinen Beinilie ganz Wackelpudding?« Sie richtete sich auf und stemmte ihre Hände in die Hüften. Pardee erschien ihr Gesicht wie der Mond hinter vorbeiziehenden Wolken.
Sie sagte: »Sie denken vermutlich, daß es ungemein grausam von mir ist, einen Sterbenden zu verarschen, aber Sie müssen wissen, daß Sie jetzt noch gar nicht sterben werden. In Bälde zwar, aber jetzt noch nicht.«
Pardee versuchte eine Frage herauszubringen, doch das Zimmer schien sich plötzlich zu verflüssigen und über ihm zusammenzustürzen wie eine schwarze Woge.
Sebastian Curtis schritt das Dock entlang, wo die Mannschaft der Micro Spirit gerade dabei war, Treibstoffässer von einem Beiboot zu laden. Er trug seinen weißen Laborkittel über seinem Paar Bermuda-Shorts und einem Hawaii-Hemd. Um seinen Hals hing ein Stethoskop, als sei es ein Medaillon, das ihm Macht verlieh.
Der Erste Maat der Micro Spirit, der colatrinkenderweise das Entladen überwachte, sprang auf das Dock, um den Doktor zu begrüßen. »Guten Morgen.«
»Guten Morgen«, sagte Curtis. »Haben Sie hier das Kommando?«
»Ich bin der Erste Maat.«
Curtis musterte den tätowierten Tongalesen. »Mr. Pardee wird eine Weile bei uns bleiben. Er hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, daß Sie nicht auf ihn warten sollen.«
»Das macht Ihnen nichts aus?« fragte der Maat. Es kam ihm seltsam vor, nachdem Pardee sich solche Mühe gegeben hatte, unbemerkt auf die Insel zu gelangen.
»Nein, natürlich nicht. Wir haben Mr. Pardee sogar angeboten, ihn nach Hawaii
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