Himmelsgöttin
weil er sich nicht mehr Mühe gegeben hatte, ihn zu finden. Doch er nahm sich vor, auf eigene Faust nach dem Seefahrer zu suchen, sobald er wieder zurück auf Alualu war.
Punkt für Punkt ging er seine Checkliste durch und legte die Kippschalter für den Autostart der Triebwerke um. Während die doppelten Turbinen aufheulten und warmliefen, spürte Tuck, wie seine Panik verflog, als wäre sie ein Geist, der von einem Exorzisten vertrieben wurde. Hier war er am rechten Platz, hier gehörte er hin und tat das, was er am besten konnte. Zum ersten Mal seit Wochen hatte er das Gefühl, einen klaren Kopf zu haben.
Er schob die Regler bis zum Anschlag hin und her und schaute zum Fenster hinaus, um festzustellen, ob die Landeklappen und Leitwerke sich ebenfalls bewegten. Beth Curtis kam durch die Siedlung auf das Flugzeug zu. Jedenfalls nahm er an, daß es Beth Curtis war. Sie trug ein strenges dunkles Kostüm, wie für die Chefetage eines Konzerns, in Kombination mit Nylonstrümpfen und hochhackigen Pumps. Ihr Haar war zurückgekämmt und zu einem strammen Knoten zusammengebunden. Dazu trug sie eine Pilotenbrille mit Goldrahmen. In der einen Hand hatte sie eine kleine Kühlbox aus Plastik und in der anderen einen Aktenkoffer. Sie sah aus wie eine von Mary Jeans Killeranwältinnen. Ihre dritte Identität in ebenso vielen Tagen.
Sie stieg ins Flugzeug, und der Wachmann klappte hinter ihr die Luke zu. Nachdem sie den Aktenkoffer und die Kühlbox im Gepäckfach verstaut hatte, trat sie ins Cockpit und schnallte sich auf dem Copilotensitz fest.
»Irgendwelche Probleme?« fragte sie.
»Sie sehen gut aus, Mrs. Curtis.«
»Danke, Mr. Case. Sind wir soweit?«
»Tuck. Sie können Tuck zu mir sagen. Würden Sie mir einen Gefallen tun und zum Fenster rausschauen, ob sich die Landeklappen und die Ruder bewegen, wenn ich die Regler bediene?«
»Funktioniert prima. Geht's jetzt los?«
Tuck löste die Bremsen und rollte hinaus auf die Startbahn. »Ich muß mir auch eine Sonnenbrille besorgen, wenn wir in Japan sind.«
»Ich bring Ihnen eine mit. Sie werden das Flugzeug nicht verlassen.«
»Werd ich nicht?«
»Wir halten uns nur ein paar Minuten auf und fliegen dann gleich wieder zurück.«
»Hören Sie, Mrs. Curtis, ich weiß, daß Sie mich aufgrund der Umstände, die zu meiner Abwesenheit hier geführt haben, für einen Totalversager halten, aber eigentlich bin ich wirklich gut in meinem Job. Sie müssen mich nicht behandeln wie ein Kind.«
Sie schaute ihn an und nahm ihre Sonnenbrille ab. Tuck wünschte, er hätte ebenfalls eine Sonnenbrille, um sie genauso schwungvoll abzusetzen.
Sie sagte: »Mr. Case, in diesem Augenblick lege ich mein Leben in Ihre Hände. Können Sie mir sagen, was ich noch tun soll, um Ihnen mein Vertrauen zu beweisen?«
Darauf wußte Tuck keine Antwort. »Sie haben wohl recht. Entschuldigung. Aber Sie könnten etwas weniger geheimnisvoll tun in bezug darauf, was hier abläuft. Ich weiß, daß wir keinen Nachschub oder Ausrüstung durch die Gegend fliegen – jedenfalls nicht mit diesem Flugzeug und nicht bei dem Gehalt, das Sie mir zahlen.«
»Wenn Sie es wirklich wissen wollen, kann ich es Ihnen sagen. Aber wenn ich es Ihnen sage, werde ich Sie umbringen müssen.«
Tuck blickte von seinen Instrumenten auf, um ihr ins Gesicht zu sehen. Sie grinste ein dämlich-breites Grinsen, so daß sich kleine Falten um ihre Augenwinkel bildeten.
Er schaute wieder auf seine Instrumente. »Dann werd ich jetzt mal starten. Okay?«
»Und dabei habe ich Ihnen noch nicht mal gezeigt, wie man sich auf unserer kleinen Insel am besten die Zeit vertreiben kann.«
Tuck konzentrierte sich auf die Anzeigen und die Startbahn. »Für welche Kirche arbeitet Ihr Mann?«
»Für die Methodisten.«
»Darüber müssen Sie mir mehr erzählen.«
»Was soll man darüber erzählen? Die Methodisten rocken wie der Teufel!« rief sie und kicherte wie ein kleines Mädchen, während Tuck die Nase des Flugzeuges hochzog in Richtung Himmel.
Malink kam erst spät zur allabendlichen Trinkrunde – in der Hoffnung, daß mittlerweile alle soweit betrunken waren, daß sie vergessen hatten, was sich den ganzen Tag über abgespielt hatte. Er selbst hatte den Großteil des Nachmittags bei Favo zu Hause verbracht, weil er es nicht gewagt hatte, seiner Frau und seinen Töchtern unter die Augen zu treten. Doch nun, da die Sonne schon eine Weile im Ozean kochte, wußte er, daß seine Anwesenheit in der Trinkrunde der Männer unbedingt
Weitere Kostenlose Bücher