Himmelsjäger: Roman (German Edition)
bewegten sich in der Mitte der Scheibe.
»Die Plasmafahne bewirkt eine gewisse Unschärfe«, sagte Abduss.
Cliff beobachtete das Brodeln an einer besonders heißen, blauweiß gleißenden Stelle und fragte sich, was es damit auf sich hatte. »Ah, der Bereich befindet sich direkt unter dem Mittelpunkt der Schale oder Kappe.«
Abduss nickte. »Etwas stört den Stern, und diese Störung bewirkt starke Eruptionen. Sehr gefährlich, scheint mir.«
Sie näherten sich dem System ziemlich schnell. Cliff sah sich die Daten an. Die ganz offensichtlich künstliche Scheibe – oder Kappe, denn das Bild zeigte, dass sie sich von ihrem Blickwinkel fortwölbte – war nicht sehr weit entfernt, nur einige Hundert Astronomische Einheiten, wobei eine AE der Entfernung der Erde von der Sonne entsprach. Während der Ausbildung hatten sie sich alle daran gewöhnt, in solchen enormen Größenordnungen zu denken.
Ihm fiel plötzlich ein, dass diese Ausbildung vor Jahrhunderten stattgefunden hatte. Seinem Gefühl nach schien sie nur wenige Wochen zurückzuliegen.
Sein Blick kehrte zu dem Bild zurück. Deutlich war zu erkennen, wie sich die gewaltige Halbkugel um diese Seite des Sterns wölbte.
Sie richteten den Zoom auf die Sonneneruptionen und mussten es mit verschiedenen Einstellungen probieren, um die besonders heiße blau-weiße Stelle auszublenden. Von diesem Hotspot ging grelles, aktinisches Licht aus, und heftige Plasmastürme wüteten dort – eine kleine weiße Sonne schien sich wie ein Blutegel an der größeren roten festzuklammern.
Über dem Hotspot wanden sich die glühenden Bahnen der Eruptionen wie feurige Schlangen und schienen bestrebt zu sein, die gewaltige Halbkugel zu erreichen. Aber bevor sie Gelegenheit bekamen, die Wölbung der Schale zu berühren, vereinten sie sich zu einem schmalen Jet. Bei den Plasmabahnen bemerkte Cliff kleine Kleckse und helle Flecken, die sich vom Stern entfernten, dem Verlauf des Jets folgten und zum runden Loch in der Schale flogen und von dort aus ins offene All.
Cliff versuchte, sich einen Reim aus den Bildern zu machen. »Sehen wir uns die Aufnahmen der letzten Wache an.«
Das Schiff fertigte automatisch Aufzeichnungen vom lokalen Himmel an. Die Software erfasste nicht nur alle leuchtenden Objekte, sondern nahm auch Spektralanalysen vor und klassifizierte nach Kategorie und Typ.
Im infraroten Bereich des Spektrums gab es ein Glühen dort, wo sich der »Boden« der Schale befinden musste. Keins der Instrumente zeigte ein Bild des riesigen Artefakts während der Jahre des Anflugs. Cliff scrollte durch uninteressante Bilder. Die Schale verdeckte einen Stern am Himmel, aber aus einer Entfernung von mehreren Lichtjahren war den betreffenden Wachen nichts aufgefallen.
Die infrarote Strahlung der Schale lief auf eine Temperatur von zwanzig Grad Celsius hinaus. Zimmertemperatur.
»Oh, angenehm«, sagte Abduss. An der Wölbung der Schale herrschten tropische Bedingungen. Die Rückseite war kühl und offenbar steinig. Doch auf der warmen Seite betrug die Temperatur zwanzig Grad. Der Stern war weniger hell als Sol, aber natürlich blieb die Schale kontinuierlichem Sonnenschein ausgesetzt und wurde daher recht warm. Eine Nacht gab es dort nicht.
Cliff stellte sich die Schale als eine gigantische Konstruktion vor, obwohl sich sein gesunder Menschenverstand dagegen sträubte. Wenn etwas unmöglich erschien, war es das Beste, weitere Untersuchungen anzustellen, bis man zumindest das eine oder andere verstehen konnte. Und man wartete, bis der Captain erwachte, ja.
Den ersten Schock versetzte ihm schlichte Geometrie. Mayra nannte Cliff Entfernung und Winkel, und Cliff stellte fest, dass die Innenfläche der Schale zweihundert Millionen mal so groß war wie die Oberfläche der Erde – ein enorm großer Lebensraum. (Der Biologe würde die Meinung des Captains abwarten, aber … Luft, Wasser. Zur Neige gehende Vorräte, die erneuert werden konnten. Die Wickramsinghs nickten und lächelten, als Cliff davon sprach.)
Als Cliff die visuelle Erfassung auf die runde Öffnung der Schale richtete, empfing er optische Reflexionen und registrierte die Spektrallinien von Wasser. Anschließend gab er sich noch etwas mehr Mühe dabei, durch die wogenden Schleier der Plasmafahne zu sehen – und fand Sauerstoff.
Also war die Innenseite des riesigen Artefakts so gestaltet worden, dass sie Leben beherbergen konnte. Aber wer waren die Gestalter?
Erneut überprüfte Cliff die Entfernung: 320 AE, etwa ein
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