Himmelsjäger: Roman (German Edition)

fühlte eine seltsame Gemeinsamkeit, war aber zu abgelenkt, um genauer darüber nachzudenken. Er ging einfach davon aus, dass sie Verbündete waren, und er hoffte, dass sich etwas Nützliches aus dieser neuen Gemeinschaft ergab.
    Schmerz im rechten Bein ließ ihn taumeln. Ich fühle ihn erst jetzt, weil der Adrenalinrausch nachlässt, dachte er. Etwas Warmes rann ihm in den Stiefel. Schwerfällig nahm er Platz, atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen, und tastete dann vorsichtig nach der Wunde.
    »Du blutest«, sagte Irma.
    Cliff nickte. »Eine Fleischwunde.«
    »Wir haben kein Verbandsmaterial mehr«, sagte Howard.
    »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, sagte Cliff und zuckte die Schultern. »Ich komme schon damit klar.«
    Irma war so geistesgegenwärtig gewesen, den toten Sil Kleidungsstücke abzunehmen. Sie reichte Cliff etwas, das nach einem Hemd aussah und aus einem baumwollähnlichen Material bestand. Mit Irmas Hilfe riss er es in Streifen und verband damit die Wunde. Wenigstens verlor er dadurch kein Blut mehr.
    Kurze Zeit später verließen sie den Aufzug und traten auf ein metallenes Gerüst. Hinter dem Lift lag kein Felsgestein mehr – Cliff glaubte, im Halbdunkel Keramik, Balken aus Kunstfaser und poliertes Metall zu erkennen. Es gab nicht nur Streben und Stützelemente, wie sie unter dem Einfluss von Gravitation nötig waren, sondern auch Bögen und runde Luken. Quert führte sie zwischen den Gerüsten hindurch, und plötzlich standen sie vor einer transparenten Wand, hinter der sich die Dunkelheit des Alls erstreckte, von Sternen durchsetzt.
    »Dies ist die Rückseite der Schale«, hauchte Aybe.
    Ihr Blick ging schräg nach unten, nicht senkrecht, und die lokale Schwerkraft war hier anders. Cliff beobachtete ein kleines Raumschiff, das in einiger Entfernung langsam vorbeiglitt, erhellt nur vom Licht der Sterne. Dann sah er eine Kugel, die näher zu sein schien, verbunden mit drei kleinen Schiffen. Eine Treibstoffstation? Sie flog schnell vorbei, und plötzlich wurde ihm klar, dass sie selbst es waren, die sich bewegten: Die Schale rotierte mit fünfhundert Kilometern in der Sekunde, um durch Zentrifugalkraft Gravitation zu simulieren. Von der Rückseite startende Raumschiffe bekamen dadurch sofort ein großes Bewegungsmoment.
    Querts Stimme unterbrach Cliffs Überlegungen. »Könnt sehen später. Jetzt gehen.«
    Es fiel ihm schwer, sich von dem Anblick abzuwenden. Er erinnerte ihn daran, dass sie nie weit vom Vakuum des Alls entfernt waren, ganz gleich, wie vertraut die Schale wirken mochte.
    »Kommt!« Quert führte sie zu einer weiteren Transportstation, wo eine Kapsel sie erwartete. Cliff und die anderen hatten sich gerade hineinbegeben, als die Kapsel auch schon startete.
    Cliff nutzte die Gelegenheit, den zuvor angelegten Verband abzunehmen, und was darunter zum Vorschein kam, sah nicht gut aus. Ein dunkler Fleck hatte sich entlang der Hose gebildet und war plötzlich voller kleiner Fliegen, die wie aus dem Nichts erschienen. Ein übler Geruch stieg auf. Mit Howards Hilfe schnitt Cliff die untere Hälfte des Hosenbeins ab, um den Schaden in Augenschein zu nehmen. Er fand eine Eintrittswunde auf der rechten Seite der Wade und eine größere Austrittswunde an der linken. Der Sil brachte Wasser, und damit wuschen sie verkrustetes Blut fort. Die gekräuselten Ränder der Wunden waren rot und angeschwollen.
    Irma brachte ihre Erste-Hilfe-Tasche und fügte deren Inhalt der Medo-Ausrüstung der anderen hinzu. »Ein Splitter scheint den Wadenmuskel durchschlagen zu haben«, sagte sie ruhig.
    »Es tut weh beim Gehen.«
    »Dann geh nicht.«
    Sie und Howard arbeiteten eine Weile, gaben Cliff eine Injektion und legten einen neuen Verband an. Cliff sah zum wieder sichtbar gewordenen Himmel der Schale hoch und beobachtete die dahinziehenden Wolken.
    Irma klopfte ihm auf die Schulter. »Du wirst nicht sterben.«
    »Das ist eine Erleichterung. Es erspart mir einen Anruf bei meiner Lebensversicherung.«
    »Du verlierst auch nicht das Bein.«
    »Noch besser. Aber es tut noch immer verdammt weh. Hast du ein paar Glückstabletten dabei?«
    Das brachte die anderen zum Lachen. »Die hab ich schon alle genommen«, sagte Howard.
    Irma sagte: »Und deine nächste Frage lautet vermutlich: Wo sind wir?«
    »Und die Antwort …«
    »Wir sind zu einem Refugium der Sil unterwegs. Ihre Verletzten sind in anderen Kapseln vor uns unterwegs. Sie haben viele Tote zu beklagen.«
    Cliff wusste nicht, was er darauf