Himmelsjäger: Roman (German Edition)

beeinflusst wurde. Bei der irdischen Atmosphäre war das der Fall. Wirbelstürme entstanden durch die Drehung der Erde um ihre Achse. Mit welchen Seltsamkeiten mussten sie bei einer Welt rechnen, die die Form einer Schale und einen Durchmesser von Abermillionen Kilometern hatte?
    Cliff bemerkte eine lange Reihe von dunklen Regenwolken entlang eines Wellenkamms, wo sie sich zusammenballten, abkühlten und die in ihnen gespeicherte Feuchtigkeit freigaben. Ein schmales, aber sehr langes Regengebiet, auf dem Kamm einer Membranwelle, viel länger als ein Kontinent. Die Vorstellung war so seltsam, dass Cliff unwillkürlich nach Luft schnappte.
    Sie befanden sich jetzt direkt über der dunklen Säule des Felsturms, und Cliff hatte plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengrube. Er biss die Zähne zusammen, als die Eros schlingerte und tiefer ging; die Menschen wurden an Bord in ihre Sitze gedrückt.
    »Der Felsturm!«, rief Beth an den Kontrollen. »Verdammt!«
    »Was ist?«, rief Abduss. »Was ist los?«
    Beth antwortete nicht sofort. »Nichts weiter«, erwiderte sie schließlich mit erzwungener Ruhe. »Ich komme schon klar. Lasst die Sicherheitsnetze einsatzbereit. Jemand hätte es bemerken sollen.« Beth sprach durch zusammengebissene Zähne.
    Abduss runzelte die Stirn. »Was …«
    »Es gibt gar keinen Felsturm. Wir befinden uns im Innern einer hohlen Röhre. Der Boden … Ich sehe gar keinen Boden. Dunkelheit verbirgt ihn, sieben Kilometer unter uns.« Der Schub verschwand. »Ich möchte vermeiden, dass uns der Treibstoff ausgeht. Gehen wir davon aus, dass es einen Boden gibt, auf einer Höhe mit dem Wald. Kannst du mit dem Radar etwas erkennen, Abduss?«
    Cliffs Kehle war trocken, seine Stimme ein Krächzen, als er fragte: »Boden im Gegensatz zu …?«
    »Im Gegensatz zu einem Loch, das ganz durch die Tassenwelt reicht, bis zur anderen Seite ins All!«
    Abduss brachte erneut ein »Was?« hervor. Seine Augen zeigten viel Weiß.
    »Angenommen es ist eine Röhre, die zum Weltraum auf der anderen Seite führt und Raumschiffen den Weg um die Schale erspart. Danach sieht es im Vollspektrumbild aus.« Beth deutete auf die Schirme. Einige Displays zeigten Sterne.
    »Und?«
    »Wir könnten auf die andere Seite gelangen. Was sagt das Radar? Erfasst es einen Boden?«
    Abduss machte sich an die Arbeit. Er schwitzte.
    »Selbst wenn wir auf der anderen Seite herauskämen«, sagte Cliff. »Die SunSeeker könnte uns dort abholen, kein Problem.«
    »Es sei denn, die Bewohner der Schale schlagen die Tür hinter uns zu«, erwiderte Beth angespannt.
    Einige Sekunden verstrichen.
    »Es gibt einen Boden«, meldete Abduss. »Pass gut auf. Nach dem Radar ist er nicht flach.«
    Das Triebwerk brummte erneut und gab ziemlich starken Bremsschub. Ein lautes Knirschen und Knacken ging durchs Landungsboot.
    Cliff versuchte nicht zu sprechen. Beth redete, während sie die Eros steuerte, und das war nervenaufreibend genug. »Doch, der Boden ist flach, Abduss, ich sehe ihn jetzt. Er weist ein Loch auf. Wir sind in einer Grube mit Sternen tief unten. Aber wir wollen landen, nicht wahr? Wir wollen nicht durch das Loch nach draußen fliegen, zur Außenseite der Schale. He, ich sehe Licht da unten! Achtung, es geht los …«
    Die Eros fiel und begann unter dem Einfluss der Coriolis-Kraft mit einem seitwärts gerichteten Tanz.

8
    Beth versuchte, das kleine Schiff weniger als zwei Kilometer von der Röhrenwand entfernt auf einem etwa viertausend Meter durchmessenden Felsvorsprung zu landen. Am inneren Rand zog sich eine Begrenzung entlang. Dahinter spähte das Universum durch ein zehn Kilometer großes Loch. Beth ließ die Eros auf dem Düsenstrahl schweben und hielt nach einer geeigneten Stelle Ausschau. Dann setzten sie auf, und alle fühlten den Zug der zentrifugalen Gravitation.
    Beth sah zur Röhrenwand. Mattes elfenbeinfarbenes Licht kam von unten, fiel durch unterschiedlich große Fenster. Einige von ihnen waren winzig, andere riesig.
    Sie alle spürten die Bedeutung des Augenblicks, aber es blieb keine Zeit für tiefsinnige Überlegungen. Sie wussten nicht, was draußen auf sie wartete, aber Gerede brachte sie nicht weiter – sie mussten nachsehen.
    In voller Raumausrüstung verließen sie das kleine Landeschiff. Mit halbem Ohr hörte Cliff, wie Fred Redwing Bericht erstattete. Die von der Lichtgeschwindigkeit geschaffene Kommunikationslücke belief sich auf siebzehn Sekunden und wurde größer. Sie standen neben der Eros und blickten ins Licht,