Himmelsjäger: Roman (German Edition)
entwickelten Bewusstseins fehlten diesen Letzten Eindringlingen. Höhere Intelligenz benötigte nicht mehr Nützlichkeitsmodi, sondern Kreativität. Die Quelle von intuitiven Querverweisen und übergreifenden Assoziationen musste für das Bewusstsein zugänglich sein. Bei allen intelligenten Wesen gab es einen Untergeist, doch diese Primaten konnten nicht darauf zugreifen! Nur ein auf dem oberen Niveau vereinter Geist, über der Ebene der reinen Körperfunktionen, konnte Ideen entwickeln, sie mit Vernunft und Rationalität verändern und in neue Werkzeuge verwandeln.
Den Letzten Eindringlingen fehlten diese Fähigkeiten. Was sie antrieb, ihre Intuitionen und Assoziationen … Es blieb ihnen verborgen. Der Obergeist – das Kommandozentrum der Person, die Verwaltungszentrale, die alle wichtigen Entscheidungen traf – hatte keinen direkten Zugriff darauf.
Die Fremden waren primitiv. Aber sie hatten ein Raumschiff gebaut.
Diese Erkenntnis verblüffte Memor so sehr, dass sie eine Zeit lang kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Dann rief sie sich zur Ordnung, überlegte und befragte ihren Untergeist, der ihr leider keine Antworten anbieten konnte. Vielleicht brauchte er eine Ruhepause; oft brachte Schlaf neue Ideen.
23
Beth hörte sich Tananareves Bericht aufmerksam an, und dabei bildeten sich immer mehr Falten in ihrer Stirn.
»Unglaublich! Die Vogel-Leute haben dich in einen Apparat kriechen lassen und dich dann aufgefordert, an bestimmte Dinge zu denken?«
Tananareve zuckte die Schultern. »Eine Art Computertomograf, nehme ich an. Auf Memors Anweisung hin habe ich an Astronomie, die SunSeeker und daran gedacht, was meine linke Hand tut, während sie meine rechte in kaltes Wasser tauchten. Ich nehme an, Memor fand das alles sehr interessant.«
»Hm. Vielleicht können wir das irgendwie ausnutzen …«
Beth begriff, dass sie instinktiv wie die Anführerin der Gruppe reagierte. Überlege, beurteile, handle. Sie wusste, dass sich Lau Pin darüber ärgerte. Aber die anderen, so vermutete sie, wollten nicht, dass der sehr junge und manchmal recht impulsive und emotionale Lau Pin die Führung übernahm. Schade nur, dass das Lau Pin nicht klar zu sein schien.
»Die anderen Körperteile haben Memor nicht interessiert?«, fragte Abduss. »Es erfolgte keine medizinische Untersuchung?«
»Nein, sie haben mich nur in dieses stinkende Ding gesteckt. Auf der Erde, bei der Vorbereitung auf den Flug, mussten wir etwas Ähnliches über uns ergehen lassen, wisst ihr noch?« Tananareve schauderte. »Aber diesmal … Mir schienen Schlangen durch den Kopf zu kriechen.«
Mayra legte ihr den Arm um die Schultern. »Vielleicht wollte Memor die Übersetzung verbessern.«
Tananareve schnaubte abfällig. »Das bezweifle ich.«
»Wie fühlte es sich an?«
Tananareve blickte in die Ferne. »Wie Finger im Kopf. Ich dachte an etwas, und dann … glitt der Gedanke fort, wie von etwas ergriffen.«
»Klingt unheimlich.«
»Das war es auch. Wenn Memor weitere Untersuchungen dieser Art vornehmen will, denke ich an etwas Grässliches, um sie zu provozieren.«
»Ich verstehe dich«, sagte Beth diplomatisch, »aber wer weiß, wie sie auf so etwas reagieren könnte …«
»He!«, rief Lau Pin und kam herbeigelaufen. Seine Augen waren groß. »Ich empfange ein Signal – eine Nachricht!«
»Von der Eros? «, fragte Tananareve.
»Nein, das ist ja das Erstaunliche. Das Signal hat den Bitcode der SunSeeker . Die Nachricht wird gerade übermittelt.«
Beth spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Lau Pins Kommunikator piepte, und er hielt ihn ans Ohr. Und schnitt eine finstere Miene. Er presste die Lippen zusammen und gab das Komm-Gerät Beth. »Captain Redwing. Für dich.«
Redwing sprach schnell, als befürchtete er, dass die Verbindung jederzeit unterbrochen werden konnte. Beth hörte sich die aufgezeichnete Nachricht an. »Wir haben die starken elektrischen Entladungen oben an der Schale beobachtet, die Störgeräusche herausgefiltert und euer Komm-Signal ent deckt. Ich hoffe, ihr könnt dies empfangen. Die Situation sieht folgendermaßen aus: Es ist uns gelungen, einen Kontakt mit den Bewohnern der Tassenwelt herzustellen, aber das nützt uns nicht viel. Wenn wir eine Anfrage senden, lassen sie sich recht viel Zeit mit der Antwort. Wir verlangen eure Rückkehr, und sie sagen, dass sie unsere Sprache lernen, und zwar ›persönlich‹, weshalb ihr vor Ort bleiben müsst. Es geht dabei nur um deine Gruppe, Beth. Von Cliff haben sie uns
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