Himmelskrieg: Roman (German Edition)
ernannt?«
»Brent?«, sagte Weldon. »Seit wir gekidnappt wurden, benimmt er sich merkwürdig.«
»Vorher war er genauso«, steuerte Harley bei. Er grinste. »Vielleicht glaubt er, wenn er durch die Gegend rennt und mit den Armen fuchtelt, gewinnt er seine Autorität zurück.«
»Was für eine Autorität?«, fragte Gabriel.
»Genau.«
Als sie die Menschentraube erreichten, sahen sie den Grund für den Stau.
Es war eine Frau, wahrscheinlich eine Inderin, um die drei ßig. Sie trug Khakis und ein verblichenes himmelblaues Shirt. Ihr langes Haar war von hellen Sonnensträhnen durchzogen, und sie wirkte halb ärgerlich, halb konsterniert, als hätte man sie bei einer wichtigen Arbeit gestört. In der Tat hatte es den Anschein, als würde sie sich mit Bynum und noch jemandem aus der Houston-Gruppe streiten. Dieser andere war ein verschlafen dreinschauender junger Afroamerikaner, der Gabriel bereits während des Trips aufgefallen war. Der Typ hatte zu den wenigen Leuten gehört, die dauernd in dem Wohnmobil herumgeschnüffelt hatten.
»Sie sagt, wir könnten nicht an ihr vorbeigehen!«, erklärte der junge Mann. Er hieß Xavier. Gabriel konnte sich Namen gut merken.
»Ich habe nichts dergleichen gesagt!«, widersprach die Frau, als die Leute sich um sie scharten. »Ich sagte bloß, dass ihr aufpasse sollt, und dass gleich da draußen eine ganze Menge andere Leute sind.«
Gabriel fand, dass er die Führung übernehmen müsse. Ehe Bynum den Mund aufmachen konnte, sagte er: »Entschuldigen Sie, ich bin Gabriel Jones vom Johnson Space Center der NASA .«
»Ich bin Makali Pillay. Willkommen auf Keanu.« Noch verblüffender als ihre Surfergirl-Pose war ihr australischer Akzent.
Bald erkannte jeder, worin das Problem bestand. Direkt hinter der Öffnung befand sich eine weitere Öffnung, ein Stück weiter rechts, und daraus war eine Menschengruppe gekommen, die noch größer war als der Houston-Pulk. Und diese Gruppe hatte sich nicht etwa verteilt. Die Leute kauerten total erschöpft zusammen, krank, verängstigt, wie gelähmt.
»Wer sind diese Menschen?«, fragte Rachel.
»Ich schätze, sie kommen aus Bangalore«, sagte Harley. Er wandte sich an Sasha. »Das andere Objekt, das du gesehen hast.«
In dem Halbdunkel, das in dieser Kaverne herrschte, die überfüllt war mit einer unbestimmten Anzahl ungewaschener Menschen, konnte Gabriel nur die wenigen Leute sehen, die sich dicht vor ihm befanden. Er musste sich auf Miss Pillay konzentrieren. »Sind Sie hier die zuständige Person? Gibt es jemand, mit dem ich reden könnte?«
»Kommen Sie mit«, sagte Pillay. In Anbetracht dieser Umstände verströmte sie eine erstaunliche Gelassenheit. Gabriel fragte sich, ob das in ihrer Natur lag oder auf irgendeine fernöstliche Meditationstechnik zurückzuführen war.
Oder sie stand unter Drogen. Gabriel hätte gern auf die letzten beiden Mittel zurückgegriffen, nur um selbst ruhiger zu werden.
Sie lotste ihn durch die Menge, und die meisten Menschen waren zu apathisch, um ihnen Platz zu machen.
5
Ankunftstag: RACHEL
Rachel bemerkte, dass mehrere Mitglieder der neuen Gruppe Weldons Kühlbox beäugten, die er auf dem Boden abgestellt hatte. »Sie sollten das Ding lieber nicht aufmachen«, sagte sie.
Weldon blickte sie an. »Du hast recht.« Er setzte sich auf die Box. »Du bist ziemlich misstrauisch für dein Alter.«
»Stimmt.« Zum ersten Mal in ihrem Leben fiel ihr keine flapsige Entgegnung ein. Nun ja, im Grunde war Shane Weldon ein Fremder für sie; er war nur einer von Zacks Freunden, die mit der Raumfahrt zu tun hatten.
Außerdem fand sie im Moment rein gar nichts witzig. Der innere Zwang, der sie dazu getrieben hatte, zu dem Objekt zu gehen und dort zu bleiben, als es sich ausdehnte und sie alle in sich hineinsog, war längst abgeflaut.
Sie hatte darauf bestanden, sich zu dem Objekt zu begeben, weil sie davon überzeugt war, ihre wiederauferstandene Mutter zu sehen. In ihrer Naivität hatte sie sogar geglaubt, Megan Stewart könne an Bord des Objekts sein, als es landete. Aus welchem anderen Grund hätte es ausgerechnet an dieser Stelle aufsetzen sollen, wo Rachel es zu Fuß erreichen konnte?
Und aus welchem anderen Grund hätte ihre Mutter ihr sagen sollen – nicht gerade wortwörtlich, aber genau das hatte sie doch gemeint – zu dem Objekt hinzulaufen?
Nach den letzten zwei Tagen – die schlimmsten, die sie je erlebt hatte, mit Ausnahme des Tages, an dem ihre Mutter tödlich verunglückte – war
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