Himmelskrieg: Roman (German Edition)
alle haben das selbe erlebt … wir wurden eingesammelt und hierherge bracht. Diese andere Blase hat sich auch einfach aufgelöst. Die Bangalore-Gruppe weiß genauso viel oder genauso wenig wie wir. Pillay schlägt vor, wir sollten einfach weitergehen, und ich stimme ihr zu.«
Die beiden Gruppen setzten sich wieder in Marsch, und Rachel fühlte sich an einen Strom von Flüchtlingen erinnerte, die vor einer Naturkatastrophe wie einem Vulkanausbruch oder einer Tsunamiwelle fliehen. Und genau das traf auf sie zu – sie alle versuchten, sich irgendwo in Sicherheit zu bringen. Jones und Pillay gingen voran, dichtauf gefolgt von Bynum.
Harley machte einen müden, überwältigten Eindruck. Rachel wunderte sich, dass er sich die Chance entgehen ließ, Bynum verbal zu attackieren, und sie fand, dieser Heini aus dem Weißen Haus benahm sich genauso wie ein Golden Retriever, der seinem Herrn auf dem Fuß folgt.
Dann merkte sie, dass Harley durchaus nicht so erschöpft war, wie es den Anschein hatte. Er sog förmlich das atemberaubende Panorama in sich auf.
Sie betraten einen Raum, und Rachel kam sich vor wie in dem alten Astrodome, das Rachel einmal mit ihren Eltern besichtigt hatte. Nur war diese Örtlichkeit hier hundertmal größer. Es handelte sich um eine gigantische, in die Länge gezogene Kaverne. »Hier passt ja eine ganze Stadt rein«, kommentierte Sasha.
»Hier passt ein ganzer Krieg rein«, fügte Weldon hinzu, der immer pessimistischer wurde.
Rachel hatte gehofft, Shane Weldons Stimmung würde sich heben. Sie selbst fühlte sich auf jeden Fall ein wenig bes ser, als ihr klar wurde, dass sie in eine parkähnliche Landschaft hineingingen. Der Boden bestand aus Erdreich, man sah Fel sen, in der Nähe gediehen grünliche Gewächse. Sie konnte kleine Bäume ausmachen, aber aus dieser eigenartigen Perspektive wirkten sie vielleicht auch nur klein.
Die Decke war Hunderte von Metern hoch und gespickt voll mit denselben schnörkeligen Röhren, die den Tunnel ausgeleuchtet hatten.
Harley drückte Sashas Hand, dann die von Rachel. »Trotz all unserer Unterschiede haben wir doch etwas gemeinsam. Schaut euch das an!«
Sämtliche Menschen, egal, ob sie aus Houston oder aus Bangalore stammten, starrten offenen Mundes in die Höhe, und alle trugen denselben Gesichtsausdruck.
Als sie über eine niedrige Anhöhe marschierten, erhielten sie einen besseren Überblick. Sie sahen nicht nur, dass das Habitat sich an die zehn Kilometer weit vor ihnen erstreckte … Rachel konnte das hintere Ende nicht erkennen … sie entdeckten auch ein riesiges Bauwerk, das wie ein Aztekentempel aus einem Dschungel herausragte.
Rachel konnte diese fremdartige Struktur jedoch nicht lange bestaunen, denn rechts von ihr, wo sich die meisten Leute aus Bangalore drängten, erhob sich ein Stimmengewirr, das immer lauter wurde, und die Menschenmasse teilte sich wie eine Woge, die sich an einem Felsen bricht.
Zwei Personen kamen näher … eine davon war ein kleines Mädchen, das Rachel noch nie gesehen hatte. »Wie zum Teufel konnte es passieren, dass diese Leute noch vor uns hier sind?«, fragte Sasha.
»Sie sehen nicht wie Inder aus«, fand Weldon.
»Es sind auch keine«, bestätigte Harley.
Die beiden Personen stammten in der Tat nicht aus Indien. Rachel erkannte den Gang, die ach-so-typische Körperhaltung! Es war ihr Vater.
Sie stieß einen Schrei aus, kämpfte sich durch die Menge und rannte zu ihm.
6
Ankunftstag: JA ID E V
Das Kämpfen hatte aufgehört.
Jedenfalls vorläufig, und für Jaidev Mahabala war das ein Glück. Eine Hälfte seines Gesichts war angeschwollen und tat weh. Seine Lippe war aufgeplatzt, das linke Auge halb geschlossen. Er sah schrecklich aus, und ein Mann wie er, der auf sein gutes Aussehen stolz war – besagter Stolz hatte durch den widerwärtigen Gestank und die elenden Umstände während des Flugs von der Erde zu Keanu bereits genug gelitten – litt deshalb nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.
Obwohl er vermutlich nie wieder einen Grund haben würde, sein früheres Erscheinungsbild wiederherzustellen. Er war schlank, hatte dunkle Augen, einen sorgfältig kultivier ten Stoppelbart, trug ein eng sitzendes Hemd und maßgeschneiderte Hosen. Jaidevs Leben hatte buchstäblich ein Ende gefunden, als er in das Bangalore-Objekt eingeschlos sen wurde.
Aber als er sich an dem Kampf um Lebensmittel beteiligte, hatte er gehofft, wenigstens etwas zu ergattern. Einen Kraftriegel oder ein warmes,
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