Himmelsmechanik (German Edition)
Duse zog durch die Gegend und brachte die Leute zum Tanzen, die mit leuchtendem Silber am Leib und die mit Phosphor im Innern. Sie brachen gegen Abend auf über die noch kaputten Straßen, nutzten die TODT, wo sie noch gut und vor Minen sicher war, und nahmen die Saumpfade, die der Krieg verschont hatte, und wenn es weder Straßen noch Feldwege gab, gingen sie über Wiesen und durch Wälder, wo die Santarellina auch im Stockdunkeln noch einen Weg fand. Und nie war jemand auf der Straße, nie ein Licht, bis sie zu einem Haus kamen. Ab und zu ein Blitz, der irgendwo von den Gebirgskämmen her aufleuchtete, manchmal ein Schrei, der aus den Schluchten herunterfiel. Und sie mit schnellem Schritt, ohne zu zögern, ohne stehen zu bleiben und sich zu fragen, was passiert war, was gerade passierte. Sie hatten Angst, doch sie wussten, dass alle Angst hatten, denn wenn der Krieg auch vorbei war, so waren die Kriegsängste doch geblieben.
Ab Corfino mieden sie die Hauptstraße, auch wenn sie gut in Schuss war, denn dort postierten sich Banditen, die denen auflauerten, die die Pradarena überschritten. Es waren fast alles junge Kerle, halb Partisanen, halb Faschisten, die sich nach dem 25. April in die Grotten um den Pass herum verkrochen hatten und von Raubüberfällen lebten. Sie kannten sie alle, auch wenn die Rädelsführer unter ihnen Ältere waren, die von der anderen Seite kamen; und sie waren versprengt und böse geworden, und auch sie hatten ihre Ängste. Und es war besser, ihnen nicht in die Quere zu kommen, nicht mit ihnen diskutieren zu müssen, vor allem zwei Mädchen in der Nacht, mit einem Akkordeon, das immerhin einiges wert ist, und nur einer einzigen Sichel für beide.
Das Schlimmste war der Rückweg, immer nach Mitternacht, und wenn nie etwas passiert war, dann weil die Santarellina schon als Kind gelernt hatte, es mit den Hexen der Nacht aufzunehmen. Und die Duse lernte von ihr: Wege, die sie nie gegangen war, Geräusche, die sie nie gehört hatte, Kniffe, die ihr nie etwas genützt hatten. Die Santarellina sagt, dass sie auch gut hätte allein gehen können, denn an Kraft und Mut hatte es ihr nie gefehlt, sie hätte sich aber in diesem Zu-Festen-Gehen aufgezehrt. Sie hätte sich in der Einsamkeit aufgezehrt, sagt sie, nicht wegen der Banditen oder der Blitze oder der Dunkelheit; sie hätte sich aufgezehrt wie die, die sie auf den Höfen sah, die mit dem Phosphor.
Und deswegen gingen sie zusammen, und alles, was sie ihr hatte beibringen müssen, war die List, nicht bestürzt zu sein, dass du allein bist, und nicht zu glauben, dass, wenn man auf der Straße eine Hündin findet, die dir hinterherlaufen will, dir das Gesellschaft bringen könnte. Sie kamen rechtzeitig zur Osteria zurück, damit die Duse mir noch zur Nacht die Brust geben konnte. Das war, als ich schon geboren war, aber die Duse hatte schon im Mai begonnen, auf den Höfen zu spielen, und da war sie im siebten Monat mit mir schwanger. Und sie hörte auf, als ich wohl zwei Jahre alt war und sie schon Lehrerin war und bald vom Schulamtsleiter gerufen werden sollte, um in die Schule der Capria zu gehen.
Wie ich schon sagte, das alles hat mir die Santarellina erzählt; die Duse hat mir nie ein Wort davon gesagt. Meine Mutter hat mir in allen Einzelheiten erklärt, wie ich gezeugt und schließlich geboren wurde, doch keine einzige Silbe davon, was dann geschehen ist, davon, was geschehen ist, bis ich anfing, mich selbst zu erinnern. Nein, die Duse hat mit mir nie über sich selbst gesprochen und auch nicht über uns; sie hat mir ausführlich erzählt, was die Lehrerin Duse in ihrer Schule der Capria machte, und das hat sie auf dieselbe Art getan, mit der sie samstags mit mir über die Geschichte Italiens sprach und mir sonntags erklärte, wie ich meine Hausaufgaben machen sollte. Sie war eine Lehrerin, die mit ihrem Sohn zusammenlebte, und sie sprach mit ihm aus den guten Gründen einer Lehrerin, die ihren Lieblingsschüler gut vorbereitet durch die Prüfung am Ende der Grundschule bringen will. Und durch die anderen Prüfungen danach.
Nita sagt, das sei eine sehr kluge Entscheidung von ihr gewesen. Sie behauptet, alles, was Eltern für ein Kind tun müssen, ist, es zu zeugen, das auf die beste Art und Weise zu tun und dabei abzuschweifen; und besonders die Mutter muss es auch gebären, wenn sie kann. Dann muss ein Kind bei einer tüchtigen Lehrerin oder einem tüchtigen Lehrer aufwachsen können; bei willigen und fähigen Beschützern und also dem
Weitere Kostenlose Bücher