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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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würde, mit einem umgehängten Sack, mit einer Hippe am Gürtel. Und er würde sich auf einen runden Stein setzen, in seinem Sack wühlen, einen Stein suchen und anfangen, seine Hippe zu schärfen. Dann würde er wieder gehen, ohne mir überhaupt ein Zeichen zu geben. Es ist aber auch mehr als einmal passiert, dass er plötzlich aufhörte herumzuspielen und zu mir her kam; und wenn ich gerade angelte, flüsterte er mir zu: Gleich heult sie. Und wenn ich gerade schwamm, rief er mir das »Gleich heult sie« zu, während er dazu noch einen Stein warf, der eine Handbreit neben mir aufschlug. Nein, sie heult nicht, protestierte ich blödsinnig, und begann lustlos aus dem Wasser zu steigen. Und düster vor Enttäuschung setzte ich mich neben ihn auf die hohen Dämme und wartete, dass die Sirene heulte. Und da waren wir wieder und warteten auf die Welle, die dann mörderisch von den Steilhängen von Ceserana herunterrutschte und sanft und leicht wie Sahne herankam, uns die Füße zu lecken.
    Wasser und Feuer trau nur, wenn ich es dir sage, nuschelte der Omo Nudo in den Wind und nahm seinen Sack und ging weg zu seinen Waldarbeiten. Jawohl, Verwandte. Denn es gibt eine zurückhaltende, stille und freie Verwandtschaft. Und bei uns ist sie meistens vermeintlich, diktiert vom natürlichen Hang, sich nie allein zu retten, sondern zusammen mit jemandem, den du mit einer Geste reiner Höflichkeit auswählst. Ein Geschenk, das man macht, ohne einen Pfennig, der ausgegeben, sondern nur mit einer Rechnung, die im Vertrauen eingelöst werden muss. Und das ist die schroffe Vornehmheit dieses Volkes einzeln lebender Tiere, die sich nur für die große Jagd im Herbst und für den Kalender ihrer Heiligen zusammenscharen, sich aber aneinander binden und dabei nur den eigenen Geruch als Pfand anbieten.
    Hätte man mir gesagt, dass der Omo Nudo mein Vater ist, wäre ich froh darüber gewesen. So wie er ist, hätte er mir als Vater auch genügt. Aber die Duse ist diesbezüglich immer sehr genau. Hätte ich jemanden gebraucht außer ihr und der Santarellina, nehmen wir an, ich hätte Lust auf einen Onkel bekommen, dann war der Omo Nudo dafür da; so wie Verano und Aristo und wer mir sonst noch gefallen hätte. Doch mein Vater war ein anderer, und nur der. Ob er nun da war oder nicht, um mich vor der Welle zu retten oder mir beizubringen, wie man die Hippe schärft.
    Der Omo Nudo ist also mehr oder weniger mein Onkel, aus eigenem Willen, durch meine Zustimmung zu seinem Willen, wie es sich gehört. Wie jeden verlässlichen Onkel braucht man ihn nicht zu sehen, um zu wissen, dass er in der Nähe ist; wie jeder Onkel, der dir sympathisch ist, findet er genau dann etwas Merkwürdiges und kaum Nützliches, wenn du etwas Ablenkung gebrauchen kannst. Da er ein nützlicher Onkel ist, hat er mir ohne Neid beigebracht, Schweine zu schlachten, Hirsche zu jagen und mit weniger als einem Kilo Dynamit den Berg in die Luft zu sprengen. Als Onkel hat er sich jedenfalls beeilt, alt zu werden, und es ist der Moment gekommen, an dem seine Legende von ihm selbst geschützt und das Leben seines Körpers mehrmals von seinen Neffen gerettet wurde. Dafür werden sie von ihm alles erben, was er in seinem Leben hatte: seine Ehre und seine Hippe. Und Ehre und Hippe sind schließlich genau dasselbe.
    Im vorliegenden Fall ist die Hippe ein Schwert mit einem alten Namen in der alten Sprache. Reich an metaphorischen Inhalten, selbst Metapher, ist es schließlich ein nacktes Schwert. Unsere Vorfahren hatten es der traditionellen Form des präquiritischen etruskischen Degens nachgebildet, in kalt geschmiedetem Eisen. Eine drei Handbreit lange Klinge und ein Griff aus Nussbaumholz, mit Lederstreifen verbunden. Unsere Vorfahren machten davon im Laufe vieler Jahrhunderte ausgiebig und erfolgreich Gebrauch, ohne es jemals verbessern zu müssen; es erwies sich als gut, 2000 Kilometer von zu Hause weg, in der Schlacht von Salamis, wohin wir gingen, um bei doppeltem Sold die elegante Macht der persischen Kultur gegen das bürgerliche Hegemoniestreben der hellenischen Demokraten zu unterstützen. Es erwies sich als gut in Cannae und sogar in Zama, wo wir fast umsonst Hannibal und dem Bund freier Stämme dienten, die sich den heftigen Modergeruch des imperialen Rom vom Halse schaffen wollten. Es erwies sich für uns als nicht mehr gut genug, als die imperialen Ingenieure einen Weg fanden, Eisen mit Kohle zu verschmelzen, und ein Stahlschwert schmiedeten, das es entzweischlug, als wäre

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