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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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meinem Vater gesehen habe, alles was mir als Erinnerung bleibt. Der menschlichen Betrachtung und dem eventuellen Mitleid stehen verschiedene Arten von Waisen zur Verfügung, doch die größte Waise von allen ist, wer einen Vater oder eine Mutter ohne einen guten Grund verloren hat. Es ist leicht, sich damit abzufinden, dass ein Mensch im Krieg gestorben ist, es ist sogar vernünftig, sich zu trösten, wenn eine Mutter auf einem Feld gepfählt wurde oder beide Eltern in einem Bahnhof in die Luft geflogen sind. Du kannst wählen, ob du Waise eines Vaters wirst, der ein Mörder war oder nur ein Hurenbock; du kannst eine böse Mutter der frevelhaftesten aller Einsamkeiten aussetzen. Aber wie könntest du dich damit abfinden, deinen Vater überhaupt nie gesehen zu haben, wo du doch weißt, dass er ein kräftiger und lächelnder, gutmütiger und großzügiger Junge war? Wie kannst du zur Überzeugung kommen, eine gewöhnliche Waise zu sein, wenn es doch keine Leiche, keinen Verrat oder Lüge oder Schuld oder zynisches Schicksal gibt? Und da ist nur die Lehrerin Duse, die dir sagt: Dein Vater war so groß, dass er die Äpfel von Bäumen pflückte, ohne sich auf die Zehenspitzen zu stellen, dein Vater war so gutmütig, dass er bunte Fähnchen in den Gewehrlauf steckte, um die Kinder, denen er begegnete, nicht zu erschrecken. Nun, er hätte das mit den Fähnchen auch bei mir versuchen können.
    Aber das ist nicht der Punkt. Ich habe nie das Fehlen meines Vaters verspürt, und als Kind war ich auch nie eifersüchtig auf diejenigen, die einen hatten, aber ich habe stets die zwingende Notwendigkeit eines guten Grundes verspürt. Die einzigen Gründe, die ich kenne, sind die der Duse, ihre Erklärungen am Sonntag der Enthüllungen. Und die Duse war eine Lehrerin: Sie war nie der Meinung, sie müsse begründen, was sie erklärte und was sie nicht erklärte.
    Ich weiß nur, dass ich aus einer reinen und einfachen Geste der Liebe geboren wurde. Und ich weiß, dass mein Vater kurz danach weggegangen ist. In diesem Fall hatte er einen guten Grund: Es war Heiligabend ’44, in jener Nacht hatte das
Wintergewitter
begonnen. Die Duse erzählte mir, dass sie an jenem Morgen aus dem Haus ging, als es noch dunkel war, froh darüber, was sie tun würde, um ein bisschen Weihnachten zu organisieren, und auf der Brücke, entlang der Straße und auf das Brückengeländer geworfen hatte sie tote Soldaten liegen sehen. Es waren viele, eine ganze Patrouille, es waren die Kameraden meines Vaters. Da war geronnenes Blut im Raureif, überall, und keiner von ihnen hatte noch Schuhe an. Das Wirtshaus war geschlossen, die Santarellina bei ihren Herrschaften, um Heiligabend vorzubereiten. Es war niemand auf der Straße, sie hörte von nirgendwoher ein Geräusch und sie fing an, einem nach dem anderen ins Gesicht zu sehen, um meinen Vater zu finden. Er war nicht dabei.
    In der Nacht war lautlos das
Wintergewitter
, die Weihnachtsoffensive, über die Brücke gegangen. Einige Stunden später sollten sie erfahren, was das Wintergewitter war, als Flugzeuge im Tiefflug vorbeikamen und die Talsohle unter Maschinengewehrfeuer nahmen und man in Richtung Lucca und Pistoia so viele dieser Detonationen hörte, dass es schien, als sei das Jüngste Gericht gekommen.
    Die Deutschen und die Monterosa waren aus ihren Linien in den Bergen heruntergekommen und hatten den Überraschungsschlag versucht, wobei sie mit Messern töteten, um so tief wie möglich heranzukommen, ohne aufzufallen. Die Schuhe hatten nicht sie mitgenommen, das waren Leute von hier, die welche brauchten und früher als die Duse aus dem Haus gegangen waren. Mein Vater und die Überlebenden seiner Einheit hatten sich zurückgezogen; am Abend verteidigten sie sich schon in Poretta.

Alles ist wahr
    Wo haben mein Vater und meine Mutter dem reinen und schlichten Akt der Liebe, in dem ich gezeugt wurde, Substanz verliehen? Unter welchem Apfelbaum oder auf welcher Wiese, in welcher Hütte oder welchem
metato
?
    Im Herbst beginnen bei den Apfelbäumen auf den oberen Feldern die Blätter zu trocknen, wenn die Früchte noch hängen und sich unter jedem Baum ein goldenes, knisterndes Bett bildet. Dort ist es schön; es ist schön, mit einem Mädchen herzukommen, ohne unterwegs viel gesprochen zu haben, verschwitzt von der Hitze, die aus dem letzten Heu ausströmt, anzukommen, ein paar Früchte zu pflücken, um sich den Mund zu erfrischen, bevor man sagt, was gesagt werden muss, und es dann leise zu sagen, wobei

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