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Himmelsmechanik (German Edition)

Himmelsmechanik (German Edition)

Titel: Himmelsmechanik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio Maggiani
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gedacht hätte, Mondlicht zu erhoffen: Es war in jenen Nächten, dass Pippo, der Bomberpilot, im leichten Widerschein des Mondlichts auf dem Fluss vorbeiflog und nie genau wusste, worauf er zielen sollte, und daher seine Bombe abwarf, wie es ihm gerade einfiel.
    Doch das, betonte die Duse, war das Schönste an deinem Vater, und es dürfte das Schönste an all denen gewesen sein, die lieben: Er verstand es immer, den Zauber der Poesie zu finden.
    Mein Vater war ein Poet, stell dir vor. Ein junger Poet, der vom anderen Ende der Welt gekommen war, um Krieg zu führen im Land des großen Poeten der Waisen, dem Benjamin des Volkes, das vom universalen Waisentum heimgesucht wurde. Der Prophet, der, obwohl er jeden melancholischen Zauber der Nacht und der Sterne, die in der Nacht aufleuchten, erforschte, nie das Talent für einen einzigen Vers hatte, der das Herz seiner nicht wenigen Leser zur Hoffnung auf eine schöne Nacht ohne Mond angeregt hätte. Ohne zu berücksichtigen, dass der Junge selbst Waise war, und dass die Duse sich als nichts anderes fühlen konnte. Wie hätte sie sich da nicht verlieben können? Und wie hätte der junge Poet sich nicht in die lockige Tangosängerin verlieben können?
    Also waren es nur zwei gewöhnliche junge Menschen, die sich im Jahr ’44 mitten auf der Gotenlinie verliebten.
    Damals konnte sich niemand die Einsamkeit vorstellen, der sich nicht ein Loch unter dem Keller gegraben und sich darin versenkt hatte, und die beiden jungen Leute hatten das gesamte Universum durchquert, bevor sie allein waren, beide zusammen in Einsamkeit. Wo sie in jenem Herbst einen passenden Ort für Duses Liebe gefunden haben mögen, ihre erste Liebe, wie sie bestätigte, ihre einzige Liebe, wie sie präzisierte, wo sie all das zusammengetragen haben mögen, was sie brauchten, um jener Jahreszeit in jenem für Liebende so wenig geeigneten Jahr zu entfliehen, kann ich nicht sagen. Vielleicht unter einem Apfelbaum, falls sie mutig genug waren, einen Mittag auszunutzen, der selbst für die Bergbewohner zu heiß, einen Regentag, der auch für die nach harten, sauren Äpfeln Hungrigen zu langweilig war. Doch es war nicht unter einer Kastanie, es war nicht zwischen Säcken mit Blättern in einem
metato
. Mir hat nämlich niemand gesagt, ich würde nach
metato
-Rauch stinken, und das ist der sicherste Beweis, dass ich nicht von dort herkomme, was mich mächtig stören würde wegen der Promiskuität in den Wäldern während des Herbstes, wenn gesammelt und getrocknet wird und alles ein Kommen und Gehen ist.
    Der Sohn von Verano wurde allerdings sehr wohl im Wald gezeugt und riecht nach Rauch, seitdem er geboren wurde. Weil er in einem
metato
gezeugt wurde, weil sein Vater heiratete und am Tag danach mit seiner Frau auf Hochzeitsreise zur Kastanienernte fuhr. Die Santarellina sagt, Verano und seine frischvermählte Frau habe man die ganze Küste entlang im Dunkeln laut brüllen hören, weil sie sich bei der Bewegung an den in den Blättern versteckten trockenen Zweigen wehtaten. Nein, das ist nichts für die Duse. Und ich bin sauer und hart aufgewachsen und werde es bleiben, bis ich verfaule, ein Grund, weshalb ich zweifelsohne von den roten Äpfeln komme.
    Als ich ein Junge war, benannten die anständigen Menschen und die Fotoroman-Zeitschriften, die die Santarellina las, einen wie mich mit dem Ausdruck: ein Kind der Liebe. Nichts Treffenderes. Doch ich mochte nicht so genannt werden, auch nicht von der Duse. Die Tatsache, dass ich aufgepasst habe, als sie mir erklärte, sie habe alle wichtigen Worte auswendig gelernt, sie würde sich bis heute an alle erinnern, ohne eines zu entstellen, bedeutet nicht, dass ich es zu schätzen wusste. Nicht wirklich. Es ist schwer, als Unbeugsamster aller Waisen aufzuwachsen und zu glauben, das käme alles vom Privileg, das Kind einer Liebe zu sein. Eine Seltenheit im Revier, ich habe jedenfalls noch kein anderes getroffen. Nicht, dass es nie vorgekommen wäre, dass mich jemand aus diesem Grund besonders geschätzt, dass er mich »Kind der Liebe« genannt hätte oder ähnliche Scherze. Keine geistreiche Bemerkung, keine diesbezügliche Schlussfolgerung. Auch wenn sie versucht gewesen wären, so hatten Alte und kleine Kinder doch alle viel zu viel Respekt vor der Lehrerin Duse, um es zu versuchen. Und nicht viel später fingen sie auch an, Angst vor mir zu haben. Nein, auch die Duse konnte von ihrem Sohn verlangen, sich eine vernünftige Meinung von sich selbst zu bilden. Und

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