Himmelsschatten

ehemaligen Lagerplatz lag. War er noch druckfest? Würde der Sauerstoffvorrat in den Tanks für eine Rückkehr an die Oberfläche ausreichen?
    »Über Startfenster brauchen wir uns keine Gedanken zu machen. Sobald wir die Destiny aufgesetzt haben, müssen wir die Crew nur noch von der Oberfläche wegbekommen. Offensichtlich ist hier die Zeit der alles entscheidende Faktor. Tea könnte den Rover wieder auf den Boden des Schlots fahren und dich da abholen.«
    Zack wusste sofort, dass das nicht möglich war. »Komm schon, Harls. Ein Außenbordeinsatz dieser Art würde Stunden in Anspruch nehmen und vier Menschen leben nur noch mehr gefährden.« Optimistische Projekte waren etwas Feines, aber was er jetzt brauchte, war ein leidenschaftsloser, realistischer Ansatz. »Hast du mit Tea darüber geredet?«
    Wieder eine lange Pause. Dann: »Nein, noch nicht.«
    Zack befürchtete, Tea könnte dieses Gespräch mithören. Aber da er einen Brahma -Kanal benutzte und auf absonderlichen Wegen nach Houston geleitet wurde, war sie vielleicht ahnungslos.
    »Okay, wir sind so weit. Was du gleich hören wirst, ist keine Stimme … und es kann sein, dass wir unmittelbar danach das Signal verlieren, aber wir werden aufpassen und das Beste hoffen. Halte durch, Kumpel!«
    Zack wartete. Keanu selbst vibrierte immer noch … Zack fühlte sich an ein riesiges Tier erinnert, das sich in einem unruhigen Schlaf schüttelt.
    Dann begannen die Klänge. Das Geräusch war eine Komposition, als hätte man die Gesänge von Walen, alte Internet-Einwahl-Töne und Klicklaute miteinander vermischt. Es klang so schaurig, dass Zack sich noch unbehaglicher fühlte – was in Anbetracht seiner Situation etwas heißen wollte.
    Ihm blieb gar nichts anderes übrig, als abzuwarten. Und zu überlegen, was er tun sollte, wenn keine Reaktion erfolgte. Aufgeben? Den beschädigten Raumanzug ausprobieren? Sich von der Chance verabschieden, Megan und die anderen jemals wiederzusehen?
    Und ihm wurde bewusst, dass mindestens drei Minuten vergangen waren. Kein Wort mehr von Harley … kein offenkundiges Signal zum Öffnen der Tür.
    »Hey, Harls … Zack an Rachel, ich spreche Klartext. Rachel, wenn du dich fragst, warum dein Vater sich so verhält und nicht anders … nun, ich habe mein Leben lang versucht, Antworten auf so weltbewegende Fragen zu finden wie ›Was sind das für Lichter, die man nachts am Himmel sieht?‹ Deshalb wurde ich Astronom und deshalb wollte ich Astronaut werden.
    Hier bin ich also, einer der ersten Menschen, die außerhalb der Erde entstandenes Leben sehen und erfahren. Ich kann nicht einfach weggehen. Mir könnte nichts Schlimmeres zustoßen, als wenn ich jetzt versuchen würde, nach Hause zurückzukehren, und dabei den Tod fände.
    Und ich kann deine Mom nicht alleinlassen. Nur damit du Bescheid weißt, wenn die Signale nicht wirken … dann breche ich ein Fenster auf. Sofern ich ein Fenster finde.«
    Immer noch keine Antwort von Houston. Und am Tempel rührte sich nichts. Es war, als hätte es die letzten zehn Minuten gar nicht gegeben. Er stand wieder ganz am Anfang.
    In diesem Fall, ehe er nach einem Fenster Ausschau hielt, das, sofern es existierte, für ihn möglicherweise gar nicht erreichbar war, sollte er es zumindest noch mal mit der Tür versuchen.
    Er drückte gegen die Fläche. Tja, das war der untere Teil und die Mitte; wie wäre es, wenn er sich mal die rechte Ecke vornehmen würde?
    Wieder stemmte er sich dagegen. Nichts. Nicht die Andeutung, dass sich etwas bewegte.
    Dann probierte er die entgegengesetzte Ecke aus.
    Scheiße! Fehlanzeige!
    Er wich ein paar Schritte zurück, stand da, die Hände auf die Hüften gestemmt, und in seinen Augen glitzerten Tränen der Wut.
    Und dann hob sich der gottverdammte Boden der Tempeltür in die Höhe wie das Tor der Garage seines Vaters …

14
    »Die Krisensituation im Bangalore-Center – das seit mehreren Stunden keinen Kontakt mehr mit der Brahma hatte – spitzt sich zu. Vor wenigen Augenblicken verlautbarte Mr. V. Nayar von der ISRO , dass zwei von Keanu gestartete Objekte auf einem Kurs sind, der mit einem Aufprall auf der Erde enden könnte. Die Beschaffenheit dieser Objekte ist völlig unbekannt.
    Eine unmittelbare Gefahr besteht nicht; allerdings werden die Bewohner des Gebietes von Bangalore, einschließlich des Karnataka-Distrikts, aufgefordert, unverzüglich Schutz zu suchen.«
    BLITZMELDUNG, TIMES OF INDIA ,
24. August 2019
    »Bangalore ist in der Batter’s Box.«
    »Sollte da