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Himmelsspitz

Himmelsspitz

Titel: Himmelsspitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Tramitz
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gesehen, obwohl sie so leblos gewirkt hatten?
    Lange Zeit hatte der Florian Trempler sein Geheimnis verschwiegen. Erst viele Jahre später, nachdem Urban sein leise rumorendes Gewissen endgültig verdrängt hatte und sich die Taler als Knöpfe an den Festtagsjanker nähen ließ, hatte Florian ihn zur Seite genommen, um ihm zu sagen:
    »Schämst dich net, herumzutragn, was einem Toten g’hört? Hast dacht, ich hab’s net g’sehn, wiast den Sterbenden beraubt hast? Immer hast g’nommen, was’d wolltest, Mensch, Vieh, Geld, alles, was dir in die Finger kemma ist. Immer schon. Der Himmel werd dich strafen, Kraxner!« Urban hatte Florian am Kragen gepackt und geschüttelt.
    »Wehe, ein Wort, wehe!«, hatte er drohend gesagt. »Dann werst den Kraxner so richtig kennenlernen, ich sag’s dir!«
    Urban öffnete seine Augen und musterte die Silberlinge. Wie schön sie in der Sonne blinkten! Mit seinen wertvollen Talern besaß der Kraxnerbauer den schönsten Janker weit und breit im Tal. Die Frauen spielten gern an den Knöpfen, zupften an ihnen herum und schmeichelten, »die gfalln mir.« Ja, das hatte Urban schon öfters gehört. Früher zumindest. War immer ein guter Anfang gewesen, wenn die Frauen an den Talern herumgefingert hatten.
    Frauen, die schönen Frauen! Heut waren sie alle da. Seine Gedanken wanderten ins Festzelt zur drallen Bedienung. Er griff sich genüsslich an den Schritt. Die Unterhose war immer noch feucht, im Leder hielt sich alles länger, trotz der Hitze. Verdammt, die Sonne brannte hernieder, der Arm pochte immer mehr. Der Haflinger tauchte seinen Schädel in einen leeren Wassereimer und scharrte mit den Hufen. »Auch Durst, ha?«, sagte Urban. »Brauchst net denken, dass ich Wasser schlepp für dich. Wo ist denn dein Bauer? Saufen im Zelt, oder? Und ich soll dein Wasser schleppen? Hab selbst Durst.« Er nahm einen gierigen Schluck aus dem Flachmann, dann drehte er die Flasche um. »Auch leer.« Ihm brummte der Kopf.
    Warum war es so heiß heute? Es würde einen Wetterumschwung geben, er spürte das in seinem Stumpen. An der Ferse hatte der Köter genagt, Scheißvieh. Er, der Kraxner ohne Bein, der Köter ohne Ohren, das sollte einer glauben. Selbst schuld, was hatte die Kreatur auch am Holzbein verloren. Agnes und Tobi, vielleicht haben sie inzwischen bemerkt, dass es keine Schlappohren mehr gab.
    »Weiß eh, was ihr jetzt machts, ihr Weiber. Suchen! Deswegen seid’s ihr net aufs Schützenfest kemma. Ha! Könnts lange suchen.« Urban grinste teuflisch. »Der Kraxner ist ja net deppert! Dachtet ihr wohl alle, dass er deppert ist? Auch die fette Urschl mit ihrem Vorbau? Meint ihr, ihr könnt mit ihm machen, was ihr wollt? Mit dem Kraxner? Nur weil er einen hölzernen Stumpen hat?« Urban schnallte das Bein ab und betrachtete sich die Ferse. Ein Fall für den Fertl, dachte er, das muss ausgebessert werden. Nein, nicht der Fertl, der war ja auch anders, ein Freund von diesem Trempler Luis. Wo der wohl sein mochte? Niemals war mehr Post von ihm gekommen. Ha!
    »Jessasmaria, schauts amal, was der für einen Stumpen hat«, rief plötzlich ein kleiner Junge und riss Urban jäh aus seinen Gedanken.
    »Willst ein paar hinter die Ohren? Schleich dich!«, brüllte der Kraxner so laut, dass der Haflinger vor Schreck am Strick zerrte. Urban schnallte sich den Gurt wieder um und zog das Bein an. Geh zum Seiterer ins Tal, lass es dort richten, dachte er bei sich. Was das wieder kostet? Nichts als Geld kost das Vieh. Und dieser Bengel. Überhaupt. Wenn er an den dachte, wurden seine Gedanken noch finsterer.
    Tobi.
    Ganz der Vater.
    Nichts von der Kraxnerfamilie mitbekommen, nicht amal die blonden Haar von der Tochter. Kreizteifi!
    Urban sah gen Himmel. Verzeihst schon, da oben, aber es ist einmal so. Er wird nie mein Enkel sein. Ist der Enkel vom alten Tremplerbauer. Wenn der wüsste, dass er einen hat. Weiß er aber nicht, denn der ist sicher tot. »Maustot«, brüllte Urban quer über den Festplatz. Er hatte nichts mehr von ihm zu fürchten. Der Sohn in Amerika, nur noch der Enkel da.
    Tobi, der Sonnenschein mit den schwarzen Locken, in die ein jeder seine Finger vergrub, die Mägde, Cilli, der Fertl, Oswin – Tobi, der Liebling des Weilers. Urban legte den Kopf zur Seite, spitzte den Mund und brabbelte in süßlichen Tönen vor sich hin: »Tobi, guter Bub, na, wie geht’s, Tobi, so fleißig in der Schule, aus dir werd noch amal was ganz Besonderes. Viehdoktor, ha, a Viehdoktor wirst amal, so schlau wiast

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