Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Himmelssturz

Himmelssturz

Titel: Himmelssturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
derjenige, der Schwierigkeiten hat, die Vergangenheit zu bewältigen«, sagte Thale.
    »Was genau willst du damit andeuten?«, fragte Svetlana in gefährlich ruhigem Tonfall.
    »Als wir die Rockhopper verankert haben, hast du eine große Rede gehalten, wie wir alle zusammenhalten müssen, dass wir alte Wunden heilen und mit reinem Herzen und reinem Geist in die Zukunft schauen wollen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Es war verdammt gute Propaganda.«
    »Vorsichtig, Nick«, sagte sie.
    Er zuckte die Achseln und sprach weiter. »Ich erinnere mich auch daran, dass du gesagt hast, wir sollten sämtliche Ressourcen nutzen, die wir haben, jedes Mittel, das unser Überleben sichern könnte. Manche von uns haben dir zugehört. Manche von uns dachten, dass du es ehrlich gemeint hast.«
    »Das habe ich«, sagte sie, während sie ihre Wut kaum noch zügeln konnte.
    »Vielleicht stimmt das sogar bis zu einem gewissen Punkt. Aber es gibt eine Ressource, die du niemals genutzt hast. Wozu du niemals den Mut aufgebracht hast. Es ist leichter zu hassen als zu vergeben, nicht wahr?«
    »Ich glaube, du hast genug gesagt«, erwiderte Parry. »Die Entscheidung, Bella ins Exil zu schicken, war einstimmig …«
    »Das war vor zwei Jahren«, sagte Thale. Er stand auf und warf seinen Flextop über den Tisch. »Wir brauchen Bella, ob es euch in den Kram passt oder nicht. Wenn wir alle hier draußen sterben, wird es nicht Janus sein, der uns getötet hat.«
     
    Svetlana hatte sich wieder einigermaßen beruhigt, als sie auf ihrem Streifzug am unterirdischen Labor vorbeikam, in dem Wang Zhanmin seine Tage und Nächte verbrachte. Sie hörte leise chinesische Musik. Das Labor lag am äußersten Rand von Crabtree und war durch einen Eistunnel und ein supraleitendes Kabel mit der übrigen Siedlung verbunden. Das Kabel, das so dick wie ihr Unterarm war, hatte man mit Geckoflexklumpen an die Eiswände geklebt. Als sie es mit der Hand berührte, hatte sie das deutliche Gefühl, dass der Strom auf ihrer Haut kribbelte. Ein Zehntel der gesamten für Crabtree erzeugten Energie ging durch dieses Kabel.
    Höflich klopfte sie an und trat gebückt in die eisige Kälte des kuppelförmigen Raums. Obwohl ihm so viel Energie zur Verfügung stand, verschwendete Wang nichts davon für die eigene Bequemlichkeit. Sein einziger Luxus war ein Lautsprecher, den er an eine Wand geklebt hatte und aus dem ein ununterbrochenes blechernes Medley zwanzig Jahre alter chinesischer Popsongs kam. Svetlana erschauderte und schloss den Kragen ihrer Jacke. Ihr Atem kondensierte in weißlichen Schnörkeln. Sie spürte immer noch die Beschämung auf ihrem Gesicht, das von der Kälte gerötet war.
    »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht«, übertönte sie eine kreischende Mädchenband.
    Er wandte sich von einem seiner mehreren Arbeitstische ab. Sein Gesicht verschwand völlig hinter einer unmöglich erscheinenden Anordnung von Vergrößerungslinsen und ausgebauten Helmdisplays, die von Lötzinn und Klebeband zusammengehalten wurden. Er hob die Pelzhandschuhe und nahm den selbstgebastelten Apparat ab. Er trug eine rote Wollmütze, die ähnlich wie Parrys aussah. Darunter brach sein Haar in unordentlichen schwarzen Locken hervor und fiel ihm über die Ohren und die Augenbrauen. Ein blassgrüner Arztkittel bedeckte mindestens fünf Schichten aus dichtem Futter. Seine Füße steckten in riesigen Stiefeln, die man von einem irreparablen Raumanzug abgerissen hatte. Für ihren Geschmack sah er immer noch zu jung und zu ernst aus. Sie hatte nichts gegen Wang, aber es machte sie besorgt, dass sie so sehr von ihm abhängig waren.
    Wang schaltete die Musik aus. »Ein Geschenk?«, wiederholte er.
    »Nichts Großartiges«, wiegelte sie ab und hielt ihm das schlaffe Ding hin. »Ich habe gehört, dass dein Flextop gestorben ist.«
    »Ja«, sagte er geistesabwesend, als hätte er schon längere Zeit nicht mehr daran gedacht. »Ja, er ist gestorben. Ist der für mich?«
    »Wenn jemand einen nötig hat, dann du.«
    Er kam näher, nahm den Flextop entgegen und hielt ihn in den Pelzhandschuhen. »Sie mögen die Kälte hier drinnen nicht«, sagte er.
    »Dagegen können wir nicht viel machen. Wenn du etwas mehr Heizwärme …«
    »Das geht nicht«, sagte er. »Die Experimente laufen am besten bei Kälte ab. Wenn ich diesen Raum heizen würde, müsste ich noch mehr Energie verbrauchen, um ihn teilweise wieder zu kühlen.« Er ließ den Flextop starr werden, berührte ihn mit einem Finger und rief

Weitere Kostenlose Bücher