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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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schlagen. So ein verfluchter Scheißdreck! , habe ich gesagt.« Solche Ausdrücke aus Mutters Mund überraschten mich. Ihre Wut verlieh ihr Stärke. »Und weißt du, was Najat daraufhin tut? Sie holt den Koran, schlägt ihn auf und zeigt mir Verse aus der vierten Sure. Über das Züchtigen von Frauen …«
    Ich nickte. Aus der vierten Sure hatte ich auf der Walima vorgetragen. Ich sprach die Verse:
    Die Männer haben das Sagen über die Frauen,
denn Gott hat sie mit größeren Gaben gesegnet.
Rechtschaffene Frauen sind gehorsam, treu und verschwiegen, damit auch Allah sie beschütze.
Diejenigen Frauen aber, deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet: ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie.
Wenn sie euch gehorchen, dann fügt ihnen keinen Schaden zu.
    Mutter starrte mich lange und verdutzt an, als hätte sie an mir etwas wahrgenommen, was sie noch nie zuvor gesehen hatte.
    »Genau die«, sagte sie schließlich. »Ich kannte sie nicht, aber da hatte ich es vor mir, schwarz auf weiß. Sie wurde doch nur verfasst, um muslimische Männer auf dumme Ideen zu bringen … Und dann sagt Najat etwas, was du nie glauben wirst: ›Ghaleb schlägt mich auch‹, sagte sie, fast, als wäre sie noch stolz darauf! Kannst du dir das vorstellen?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Aber Mutter wartete auch gar nicht auf eine Erwiderung von mir.
    »Was mache ich also? Ich frage sie, wie es jeder normale Mensch auf der Welt tun würde: ›Warum, Najat, schlägt dich dein Mann? Sag!‹ Und was antwortet sie? ›Weil wir es brauchen‹, sagt sie. ›Weil etwas in unserem Wesen ist. Etwas, dem Grenzen gesetzt werden müssen.‹ Ich war sprachlos, Hayat. Ich sah sie an und dachte mir, das ist ein Irrenhaus …«
    Sie stockte. Dann reckte sie leicht das Kinn und fügte mit gedämpfter Stimme und einer gewissen philosophischen Einsicht hinzu: »Zum ersten Mal ist mir klar geworden, dass ich es mit deinem Vater vielleicht doch nicht so schlecht getroffen habe. Vielleicht hatte ich es in all den Jahren doch nicht so schlecht …«
    In den folgenden zwei Tagen versuchte ich nicht daran zu denken, dass Sunil Mina schlug, aber es gelang mir nicht. Vor meinem geistigen Auge sah ich diesen Mann, der mich so sehr an eine Ratte erinnerte, wie er mit geballten Fäusten auf sie einschlug. Nachts verkroch ich mich unter der Bettdecke und versuchte Minas geschwollenes Gesicht zu vergessen, von dem Mutter erzählt hatte, aber auch das gelang mir nicht. Es machte mich wütend. Und nicht nur wütend. Ich fühlte mich verantwortlich. Seitdem Sunil auf der Bildfläche erschienen war, hatte es für mich keinen Grund mehr gegeben, mich wegen meiner Tat zu grämen. Es sollte sich doch alles zum Besten wenden. Aber das war jetzt nicht mehr der Fall. Ohne mich und diesen Nachmittag am Western-Union-Schalter wäre sie nie bei diesem Mann gelandet.
    Was konnte ich jetzt noch tun?
    Alles, was mir einfiel, war, die Chathas mit Telefonterror zu überziehen – das tat ich mehr als ein Dutzend Mal – oder zu beten. Also betete ich. Ich betete darum, dass ihr Mann sie nicht schlug. Ich betete, dass sie nicht zu leiden hatte. Aber meine Gebete stellten sich im Lauf der Zeit als genauso nutzlos heraus wie mein Telefonterror. Je mehr schlechte Neuigkeiten wir über Minas neuen Ehemann erfuhren, umso größer wurden meine Zweifel über die Macht meiner Gebete.
    Einen Monat darauf hatte Mutter eine alarmierende Neuigkeit mitzuteilen: Sie hatte Mina zu überreden versucht, Sunil zu verlassen und wieder zu uns zu ziehen. Aber Mina wollte nicht. Lieber würde sie sterben, als an eine weitere Scheidung auch nur zu denken. Sie hatte ihre Wahl getroffen, und jetzt stand sie dazu: Sie hatte damit zu leben. Egal, wie die Folgen aussahen. Was hieß (und das waren die schlechten Neuigkeiten), dass sie nach Kansas City zog.
    Sunil hatte sich in seiner Unbesonnenheit nichts sagen lassen und von seinem Vetter eine gleichberechtigte geschäftliche Partnerschaft eingefordert, und jetzt redete Ghaleb nicht mehr mit ihm. Sunil hatte also beschlossen, mit der Familie zurück in das Haus in Kansas City zu ziehen, das ihm immer noch gehörte, um dort wieder als Augenarzt zu praktizieren.
    Mutter gefiel die Sache nicht. »Sie meint, es würde dort besser werden. Er muss nur von seinem Vetter fort, und wenn er wieder zu Hause ist, würde er sich wieder mehr als Mann fühlen. Als jemand, der das Sagen hat. Warum meinen muslimische Männer immer, sie müssten den großen Macker spielen?

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