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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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hinzugucken. Und selbst unter der Dusche tat ich alles, um nicht zu sehen, was zwischen meinen Beinen hing.
    Ich verstärkte meine Koranstudien und bemühte mich nun ernsthaft, ein Hafiz zu werden. Es erschien mir als die einzige sichere Möglichkeit, ihre Liebe und Aufmerksamkeit wiederzugewinnen. Damit lag ich nicht falsch. Der Fleiß, mit dem ich Koranverse auswendig lernte, brach ganz allmählich ihren Widerstand, und im Frühling – sieben Suren und an die hundert Verse später – nahmen wir wieder unsere übliche Koranstunde auf. Sie nannte mich wieder Kurban . Endlich schien sie vergessen zu haben, was sich in jener Dezembernacht ereignet hatte. Aber ich hatte es nicht vergessen. Ich wusste jetzt, dass ich ihre Liebe verlieren konnte. Und war darauf vorbereitet, alles zu tun, damit es nie wieder geschah.
    Ende dieses Frühjahrs, knapp ein Jahr nach Minas und Imrans Ankunft bei uns, saßen wir an einem Donnerstagabend alle um den Küchentisch. Vater, Mutter und Mina tranken Tee und lasen und tauschten Teile der Abendzeitung aus. Imran und ich saßen vor einer Ansammlung zerbrochener Buntstifte und malten die Bilder in einem Malbuch aus. Irgendwann sah Mutter von der Zeitung auf.
    »Hier steht, am Wochenende soll die Sonne scheinen, und es soll vierundzwanzig Grad haben«, sagte sie munter. »Ein erster Sonnentag. Hier steht, es wäre der ideale Tag für ein Barbecue.«
    »So, das steht da also«, murmelte Vater und versteckte sich noch mehr hinter dem Wirtschaftsteil.
    Mutter wandte sich an Mina. »Wir sollten Schami Kebab machen mit Lahori-Ingwer-Marinade für die Hühnchen. Und Unmengen davon. Und viele, viele Leute einladen! Um den Wechsel der Jahreszeiten zu feiern … Was meinst du dazu, Naveed? Hmm? Am Samstag?«
    Die Frage blieb unbeantwortet im Raum hängen.
    Vater senkte die Zeitung nur so weit, um mit düsterer Miene über den Rand zu spähen. »Du musst das Essen vorbereiten. Ich lege es nur auf den Grill. Du willst ein großes Barbecue? Von mir aus.«
    »Aber dann musst du auch Gäste einladen.«
    »In Ordnung«, sagte er und wandte sich wieder seiner Zeitung zu.
    Mutter ließ sich damit nicht abspeisen. »Naveed, sieh mich an, wenn ich mit dir rede.«
    »Was, Muneer?«, fragte Vater genervt. »Was willst du von mir? Sag? Kannst du zur Abwechslung nicht einfach mal nur deinen Tee trinken und Ruhe geben?«
    »Sei nicht so herablassend!«
    »Bin ich nicht.«
    »Ich habe dir eine Frage gestellt. Ich will, dass du auch Gäste einlädst.«
    »Ich sagte, in Ordnung.«
    »Wen?«
    »Ich werde Nathan einladen.« Nathan Wolfsohn war Vaters Partner und Forschungskollege an der medizinischen Fakultät der Universität und in vielem sein bester Freund.
    »Gut. Wen noch?«
    »Wen soll ich deiner Meinung nach noch einladen?«
    »Die Naqvis, die Khans, die Buledis … und warum nicht die Chathas?«
    Mutter zählte pakistanische Familien aus dem Großraum Milwaukee auf, Leute, die wir nur selten trafen, weil Vater sie nicht leiden konnte. Für ihn waren sie wie Schafe, weil sie sich wie Herdentiere zusammendrängten, um sich nicht der Tatsache stellen zu müssen, dass sie nicht mehr in Pakistan lebten. Besonders ermüdend fand er ihr endloses Genörgel über die Gottlosigkeit des amerikanischen Lebens. Er konnte nicht verstehen, was sie hier noch hielt, wenn sie alles so scheußlich fanden.
    »Chatha?«, fragte Vater entgeistert.
    »Warum nicht?«
    » Warum nicht? «
    »Ja, warum nicht, Naveed?«
    Mutter reizte ihn. Sie wusste ganz genau, dass Vater Ghaleb Chatha hasste, den in Pakistan geborenen Apotheker, Unternehmer und Besitzer einer stetig wachsenden Apothekenkette seines Namens und – aufgrund seines enormen Reichtums – unbestrittenen Mittelpunkt der örtlichen muslimischen Gemeinde. Auf Mutters Betreiben hatten wir ein paar Jahre zuvor einige Zeit mit den Chathas verbracht. Wir waren bei einigen religiösen Festen bei ihnen zum Essen, einmal waren sie sogar bei uns eingeladen, aber Freundschaft war daraus nicht entstanden. Vater konnte Chathas Religiosität nicht ausstehen, die nicht nur in seinem Äußeren Ausdruck fand – Gebetskappe, kantiger islamischer Vollbart und knielanger Nehru-Mantel, den er nie auszuziehen schien –, sondern auch in seiner Konversation. Chatha sprach liebend gern davon, was Gott am Tag des Gerichts mit den amerikanischen Ungläubigen alles anstellen würde: »Allah wird sie von allen Seiten schön bräunen«, witzelte er und drehte dabei seine flache Hand hin und her, als

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