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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Buch zurück.
    Chatha ging darauf nicht ein, sondern wandte sich an Dawood. »Lies es uns vor, Bruder.«
    Dawood zögerte. Es war ihm sichtlich unangenehm.
    »Nur zu«, ermunterte ihn Chatha. »Tu uns den Gefallen. Lies vor.«
    Dawood nahm das Buch in Empfang. »Welche Zeilen?«, fragte er.
    »Die unterstrichenen«, antwortete Chatha.
    Dawood streckte den Rücken durch, räusperte sich und begann zu lesen:
    Schande und Elend kam über die Kinder Israels,
Und Gottes Zorn traf sie,
Weil sie seine Zeichen leugneten
Und seine Propheten töteten. Weil sie sich immer wieder auflehnten
Und ungehorsam waren.
    Dawood blätterte um. Chatha musterte Sonny. Sonny sah weg, er wollte – oder konnte – Chatha nicht in die grauen, stieren Augen schauen. Dawood las weiter:
    Schändlich der falsche Stolz, dessentwegen
sie ihre Seelen verkauft haben,
Und leugneten, was Gott ihnen offenbarte,
Aus Missgunst gegenüber jenen, denen Gott
seine Huld gewährt.
So haben sie Gottes Zorn auf sich gezogen,
immer und immer wieder.
    Als er diese Worte hörte, hob Chatha erregt die Hand und unterbrach Dawood. »›So haben sie Gottes Zorn auf sich gezogen, immer und immer wieder.‹ So steht es geschrieben. Das ist die Wahrheit!« Chatha zeigte auf Sonny, während er fortfuhr. » Das ist der Fluch , der ihnen seitdem auferlegt ist. Deshalb hat man sie in Gettos gesteckt. Deshalb hat es den Holocaust gegeben. Und deshalb werden sie ihr kostbares Israel verlieren.«
    Majid grunzte wie ein Ochse, der spürte, dass die Fütterung anstand. Dawood nickte.
    »Es ist ihr Schicksal, zu leiden«, fügte Chatha nachdrücklich hinzu.
    Ich musste an den einzigen jüdischen Freund denken, den ich bis dahin gehabt hatte, Jason Blum.
    »Warum nur diese Verse, Ghaleb?«, sagte Sonny, nahm verächtlich die Brille ab und begann mit einem Tuch, das er aus der Hemdtasche gezogen hatte, die Gläser zu putzen. »Warum lassen Sie ihn nicht auch Vers zweiundsechzig lesen?«
    »Zweiundsechzig?«, fragte Chatha verwirrt.
    »Vielleicht sollten Sie Ihr heiliges Buch etwas besser kennen«, sagte Sonny und setzte die Brille wieder auf. »Dawood, bitte tun Sie uns den Gefallen und lesen Vers zweiundsechzig vor.«
    Beeindruckt sah Vater zu Sonny.
    »Dawood. Bitte. Vers zweiundsechzig. Der, den Chatha- Sahib nicht unterstrichen hat.« Sonny warf Chatha einen eisigen Blick zu. Dawood sah zu Chatha. »Sie brauchen seine Erlaubnis nicht, Dawood«, sagte Sonny plötzlich. »Sie sind ein erwachsener Mensch. Lesen Sie es einfach vor.«
    »Los, machen Sie schon, Dawood«, sagte Vater. »Was steht da?«
    Dawood blätterte zurück und räusperte sich erneut.
    Wahrlich, alle Gläubigen, seien es Juden, Christen oder Sabäer, wenn sie nur an Gott und den Jüngsten Tag glauben und das Rechte tun, erhalten ihren Lohn von ihrem Herrn.
Sie haben nichts zu befürchten, sie werden nicht traurig sein.

    Schweigen. Sonny sah zu Chatha. »Erklären Sie mir das«, sagte er. »Lösen Sie diesen Widerspruch auf, mein lieber Maulvi- Sahib .«
    »Widerspruch auflösen?«, fragte Chatha.
    »Kommen Sie schon, Mann!«, ging Sonny hoch. »Gott verdammt sie in Vers einundsechzig, den Sie unterstrichen haben, und im nächsten nimmt er sie dann wieder an! Das ist ein glasklarer Widerspruch, und solange Sie ihn nicht erklären können, sind beide Verse völlig sinnleer …«
    Dawood und Majid tauschten aufgeschreckte Blicke aus und sahen erwartungsvoll zu Chatha. Chatha hingegen wirkte keineswegs beunruhigt. »Die Antwort ist ganz einfach«, begann er. »Und wenn Sie Ihren Koran kennen würden, hätten Sie auch eine Antwort parat. Sie würden nicht den einen Vers gegen den anderen ausspielen, als wäre alles ein Rätsel, das man lösen müsste! Es gibt keinen Widerspruch. Der Koran ist vollkommen.«
    »Wie lautet die Antwort, Ghaleb?«, beharrte Sonny.
    »Doktor- Sahib «, sagte Chahib verächtlich, »Allah würde sie gern aufnehmen, jeden Einzelnen von ihnen, wenn sie sich nur benehmen würden. Aber das tun sie nicht. Sie gehorchen nicht. Und solange sie das nicht tun, werden sie den Preis dafür zahlen. Würden sie den rechten Weg beschreiten, würden sie mit offenen Armen empfangen werden. Aber das ist die Tragödie der Juden: Sie werden es nie lernen. Erst wenn sie im Höllenfeuer schmoren!«
    Wieder musste ich an Jason Blum denken …
    Jason war mein bester Freund gewesen, bis seine Eltern ihn nach zwei Monaten in der vierten Klasse von der Schule genommen hatten. Mit seinem offenen, freundlichen Gesicht

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