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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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– seine weit auseinanderliegenden Augen und sein breites Zahnlückenlächeln weckten Vertrauen – strahlte er für einen Viertklässler ein ungewöhnliches Maß an Zuversicht aus. Er war der beste Schüler in der Klasse und der bestangezogene. Zu seinen Polo- oder Lacoste-Shirts trug er farblich passende Cordhosen und dazu stets matt glänzende Stan-Smith-Tennisschuhe.
    Jasons Country-Club-Klamotten zeugten weniger vom Lebensstil seiner Familie – als Juden wären sie in den Indian Hills, dem örtlichen Country-Club, nie und nimmer aufgenommen worden –, sondern mehr von seiner Leidenschaft für Tennis. Er war in der Altersklasse bis zehn Jahre die Nummer eins im US -Tennisverband. Einmal, nachdem wir einen ganzen Nachmittag mit einer Atari-Konsole vor dem Fernseher verbracht hatten und uns alles vor den Augen verschwamm, zog er in seinem Zimmer die Broschüre mit der Tennis-Rangliste für den Bundesstaat aus seinem Bücherregal.
    »Sieh nach«, sagte er und schlug sie auf.
    Und dort, auf einer grobkörnigen Schwarz-Weiß-Aufnahme, war er zu sehen, mit ernstem Gesicht, aber unverkennbar: die momentane Nummer eins. Unter seinem Bild stand ein mir unbekannter Name: Yitzhak Blum.
    »Ist das dein Name?«, fragte ich.
    »Ja. So hat mein Großvater geheißen. Er ist im Holocaust umgekommen«, sagte er. »Aber alle nennen mich Jason. Jason gefällt mir besser.«
    »Wie spricht man deinen richtigen Namen aus?«
    Er tat es. Die Gutturallaute klangen so ähnlich wie das, was meine eigenen Eltern sprachen, wenn sie sich zu Hause auf Punjabi unterhielten. Ich wiederholte den Namen. »Genau. Du kannst das richtig gut, Hayat«, sagte er beeindruckt. »Aber Jason ist mir lieber.«
    Er konnte nicht halb so beeindruckt gewesen sein wie ich. Ich hatte noch nie jemanden gekannt, dessen Bild in einem Buch abgedruckt war. Er klappte die Broschüre zu, legte sie ins Regal zurück und sagte nüchtern: »Ich bin Jude. Deswegen ist mein Großvater im Holocaust getötet worden. Du weißt, was der Holocaust war, oder?«
    Ich nickte. »Als Hitler alle umgebracht hat?«
    »Als er die Juden umgebracht hat. Er hat uns gehasst.«
    »Oh«, erwiderte ich. Ich verstummte. Mutter, fiel mir ein, hatte es mir erklärt, als sie mir die Fernsehserie verboten hatte, die im Jahr davor für so viel Wirbel gesorgt hatte. Er muss mich für völlig verblödet halten , dachte ich.
    »Was bist du?«, fragte er.
    »Muslim«, antwortete ich.
    Er nickte und nahm den Tennisschläger in der Zimmerecke zur Hand. Meine Ehrfurcht vor ihm nahm noch zu, als er den Schläger schwang. Hier vor mir stand mein erster jüdischer Freund, Tennis-Champion und Mathe-Genie der Klasse, ein Musterbeispiel dessen, warum Juden laut meiner Mutter so etwas Besonderes waren. Wenn ich jemals Zweifel an Mutters Behauptungen gehabt hatte, machte Jason sie allesamt zunichte. »Meine Mom sagt, ihr seid was Besonderes«, sagte ich bewundernd.
    »Wer?«
    »Die Juden.«
    »Oh.« Er zuckte mit den Achseln. »Sind wir wahrscheinlich auch«, sagte er. Und dann deutete er auf mich. »Muslim … das heißt also, du gehst nicht in die Kirche, sondern in eine Moschee, richtig?«
    Ich nickte. »Aber wir gehen nicht oft hin. Nur an Feiertagen und so.«
    Jason nickte. »Dann sind wir beide also die Einzigen an der Schule, die nicht in die Kirche gehen?«
    »Du gehst nicht in die Kirche?«, fragte ich.
    »Nie im Leben. Du wirst mich in keine Kirche bringen, für kein Geld der Welt. Die Christen glauben, wir hätten Jesus getötet. Mein Dad sagt, sie sind verrückt. Er sagt, sie selbst haben Jesus umgebracht und uns dann die Schuld in die Schuhe geschoben.«
    Ich kannte in Grundzügen die Geschichte von Jesus, wie Muslime sie erzählten und die mir Mina einige Jahre später sehr ausführlich nahebringen sollte: dass Jesus niemals gestorben, sondern in letzter Minute von Gott gerettet worden war. Und ich wusste, dass Jesus von Muslimen als Prophet angesehen wurde, nicht aber als Sohn Gottes. Beides erwähnte ich Jason gegenüber.
    »Davon weiß ich nichts … Ich weiß nur, mein Dad sagt, dass der Typ ein Durchgeknallter war. Wenn er heute leben würde, würde man ihn in die Klapsmühle stecken. Mein Dad sagt, der Typ hat es darauf angelegt, umgebracht zu werden. Er hätte sich den Tod herbeigesehnt.«
    Ich nickte. Im Grund hatte ich von der ganzen Sache wenig Ahnung. Jason jedenfalls kam mir vor, als wüsste er, wovon er sprach.
    Eine Woche nachdem er mir das alles erzählt hatte, wiederholte er es

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