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Himmelssucher - Roman

Himmelssucher - Roman

Titel: Himmelssucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carl's books Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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geworden. Morgens, mittags, abends, immer hat sie auf dem Gebetsteppich gekniet. Sie war eigentlich gar keine Mutter, wenn man es recht bedenkt. Das hat ihn kaputtgemacht. Es gab so vieles, was ihm gefehlt hat. So vieles . Deshalb strenge ich mich so an, damit du alles bekommst, was ihm gefehlt hat. Damit du einmal eine wunderbare Beziehung zu einer wunderbaren Frau aufbauen kannst. Einen guten Gefährten zu haben ist der größte Segen im Leben. Das hat schon der Prophet gesagt! Und Freud! Dein Vater hat eine wunderbare Gefährtin, aber er weiß es nicht!«
    Sie starrte an die Decke. »Was er wirklich will … werde ich nie erfahren. Ich meine, heute Morgen hatten wir einen so schönen gemeinsamen Augenblick.« Sie sah mich an, ihre Augen glänzten plötzlich. »Wenn du mal erwachsen bist, Kurban , wirst du verstehen, was ein Mann und eine Frau alles miteinander teilen können. Schöne Momente. Wir hatten einen solchen schönen Augenblick. Und ich wollte doch bloß wissen, was er dabei empfand! Das war alles! Und wenn er mir nichts erzählen wollte, hätte er das doch einfach sagen können. Aber nein! Stattdessen muss er mich verletzen. Er ist ein grausamer Mensch. Er hätte doch bloß den Mund halten können, statt zu sagen, was er gesagt hat …«
    Ich war verwirrt. Ich dachte, sie wäre so aufgelöst, weil er nichts gesagt hatte, als er hätte reden sollen. Jetzt beschwerte sie sich, dass er etwas gesagt hatte, als er besser nichts gesagt hätte.
    »Wenn du erwachsen bist, mein Lieber, und du bist mit einer Frau zusammen, einer guten Frau, dann denk immer daran: Erzähle ihr nie von anderen Frauen. Sie soll für dich immer die einzige Frau sein. Selbst wenn du aus irgendeinem Grund an eine andere Frau denken solltest, erzähle ihr nichts davon. Behalte es für dich. Alles andere ist grausam und feige.«
    Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie mich eindringlich.
    »Ihm gefällt mein Mund nicht, hat er gesagt. Er ist nicht so wie der Mund seiner weißen Prostituierten. Freie Herzen, freie Geister, freie Münder, hat er gesagt. Nicht wie die Frauen aus Pakistan, die dick sind und dunkel und geistig eingeengt «, sagte sie und äffte seinen Tonfall nach. »Was der verkommene Mann damit meint, ist, dass sie ihren Mund überall hinstecken, wie die Tiere. Damit er seinen Mund auch überall hinstecken kann. Wie ein Tier. Das wollen sie, und das gefällt ihnen. Es ist ekelhaft .« Sie verzog den Mund, dann: »Wenn er das will, dann soll es so sein. Aber das wird er von mir nicht bekommen.«
    Ich verstand nichts. Wo wollte Vater seinen Mund hinstecken?
    »Hör mir zu, Hayat«, fuhr sie fort. »Hör mir zu und vergiss niemals, was ich dir sage. Wenn du dich im Dreck und Abfall suhlst, wirst du selbst zu Dreck und Abfall. Du wirst zu dem, was du begehrst. Deine Begehren machen dich zu dem, der du bist.« Ich versuchte mir immer noch vorzustellen, wohin Vater seinen Mund stecken wollte, und als ich sie »Dreck und Abfall« sagen hörte, stand plötzlich ein Bild vor meinem geistigen Auge: Vater und eine weiße Frau, die Seite an Seite über einem Abfallhaufen gebeugt sind und mit den Zähnen einzelnen Unrat herauszerren.
    »Versprich mir, Behta . Versprich mir, dass du nicht wie er enden wirst. Dass du dein Leben nicht wie er führen wirst. Dass du nicht Dinge tust, von denen du weißt, dass du sie nicht tun sollst. Versprich mir das, Kurban . Versprich es mir.«
    »Ich verspreche es«, sagte ich.
    Mutter begann wieder zu weinen und barg ihr Gesicht in meinem Kopfkissen. Unter ihrem Schluchzen vibrierte die Matratze. Ich hielt sie fest. Als sie schließlich verstummte – mein Hals und Arm waren nass von ihren Tränen –, schliefen wir in unserer gegenseitigen Umarmung ein.
    An diesem Nachmittag erschien Nathan, als hätte er mitbekommen, wie ich auf seinen Entschluss, zu unserem Glauben überzutreten, reagiert hatte: Er trug eine weiße gestrickte Gebetskappe, er hatte sich nicht rasiert, und als er mich begrüßte, legte er die Hand aufs Herz und sagte leise: »Salaam alaikum.« Irgendwie kam er mir anders vor als am Abend des vierten Juli. Mit der Gebetskappe und den rötlichen Stoppeln an Kinn und Wangen sah er dunkler aus. Gesünder. Mehr wie einer von uns.
    Mutter ging mit Imran zum Lebensmittelladen und ließ mich mit Mina und Nathan zurück. Mina machte drei Tassen Tee und sagte, ich könne meine unter der Bedingung haben, dass ich Mutter nichts davon erzähle.
    Ich hatte keinerlei Einwände.
    »Willst du Zucker

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