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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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also noch ein wenig warten mit dem Champagner.«
    »Was für eine traurige Geschichte«, sagte Daniel.
    Insgeheim verspürte er eine große Erleichterung. Er erinnerte sich, was Samantha über Corinne und die Säuglinge gesagt hatte. Sie hatte ihre eigene Geschichte erzählt.
    »Aber kann man sie denn wirklich als Psychopathin diagnostizieren?«, fügte er hinzu und gähnte. Er war viel zu müde für solche Gespräche.
    »Natürlich nicht«, sagte Doktor Fischer schnaubend. »Dieses Tal ist der Abladeplatz für allen möglichen Müll,
den man da draußen nicht haben will. Das ist das Problem als Forschungszentrum und Verwahranstalt. Wir Forscher wollen eigentlich nur lupenreine Fälle haben. Aber wenn wir weiter unsere Gelder bekommen wollen, müssen wir auch Leute aufnehmen, die nicht hierhergehören. Da darf man nicht wählerisch sein, Daniel.«
    Er lachte, kurz und hart, und fuhr dann in sachlichem Ton fort:
    »Ehrlich gesagt ist Samantha – genau wie die meisten meiner weiblichen Forscherkollegen – wegen der Frauenquote hier und nicht wegen ihrer Meriten. Wir haben einen großen Männerüberschuss im Tal, und eine attraktive Frau mit nymphomanischen Neigungen löst ein praktisches Problem. Oder was meinst du?«, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.
     
    »Trotzdem«, sagte Daniel, der nicht an seine eigene Geschichte mit Samantha erinnert werden wollte, »verstehe ich immer noch nicht, warum Sie mich hierbehalten wollen. Ich entspreche offensichtlich nicht Ihren Erwartungen. Sie wollten herausfinden, ob ich ein ›heimlicher‹ Psychopath bin, und Sie haben die Antwort bekommen: Das bin ich nicht. Sie können mich also nach Hause lassen.«
    Doktor Fischer rieb sich besorgt die Stirn.
    »Das Problem ist, dass ich das nicht kann. Ich würde damit öffentlich machen, dass ich eine unschuldige Person zwei Monate lang eingesperrt gehalten habe. Und das kann ich nicht, das wirst du verstehen. Da müsste ich meinen Posten als Klinikchef und alle meine Forschungsprojekte aufgeben. Ich muss dich also so lange wie möglich als Max hierbehalten.«
    »So lange wie möglich?«
    »Ja, und das ist nicht mehr sehr lange. Früher oder später wird dein Bruder hierher zurückkommen.«
    Daniel holte Luft, um etwas zu sagen, aber Doktor Fischer kam ihm zuvor:
    »Natürlich nicht freiwillig. Aber er wird da draußen irgendeine Dummheit begehen, da bin ich sicher. Er war so voller Hass gegen diese Italienerin. Es grämte ihn unglaublich, dass er nur den Verlobten erschlagen hat und die Frau überlebte. Er hatte nichts anderes im Sinn, als sie zu töten, deshalb wollte er Himmelstal verlassen. Und wenn er erwischt wird, haben wir ihn bald wieder hier. Was sehr verwirrend sein wird. Wir haben ja schon einen Max hier! Dann wird es zu Ermittlungen kommen, und ich werde entlarvt. Wir haben also ein Problem, mein lieber Daniel.«
    »Das braucht kein Problem zu sein«, wandte Daniel ein. »Sie müssen nur zusehen, dass ich von hier verschwinde, bevor Max wieder hier auftaucht. Ich kann das Tal unbemerkt verlassen. Dabei können Sie mir ganz bestimmt behilflich sein. Alle werden denken, dass ich einen Unfall hatte oder von einem anderen Bewohner getötet wurde. Wie Mattias Block. Oder wie die anderen, die verschwunden sind und nie gefunden wurden.«
    Karl Fischers Gesicht hellte sich auf.
    »Eine ausgezeichnete Idee! Genau das werde ich sagen. Dass du spurlos verschwunden bist. Wie Mattias Block. Der Ärmste. Ein Opfer von Doktor Pierce' Wahnsinnsexperiment. Dieser Idiot hat ihn als Grille auf Adrian Keller angesetzt. Hat ihn direkt in die Löwengrube geschickt, um die Bestie mit einem lächerlichen Apparat zu bändigen. Nicht ganz das Gleiche, wie mit Hunden zu sprechen. Und er wusste nicht, dass Keller mein Löwe war. Als ich merkte, dass er sich Keller ausgesucht hatte, war es zu spät, der Chip war bereits eingesetzt. Nicht dass ich an die Dressurkünste von Doktor Pierce glauben würde. Aber wenn es Mattias Block wirklich gelungen wäre,
Keller zu zähmen, wären die Vorstellungen in seinem Wohnzimmer für meine Forschungen nutzlos geworden. Keine Folterszenen mehr. Ich würde hinter meinem Spiegel sitzen und gähnen und zuschauen, wie mein Studienobjekt Kreuzworträtsel löst und die Blumen gießt. Ich habe überlegt, Keller den Chip wieder entfernen zu lassen, aber es war dann doch einfacher, Block zu entfernen. Es gelang ihm zwar, seiner Hinrichtung zu entkommen, um dann in einer von Kellers Schlingen den Tod zu finden.«
    Daniel

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