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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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Daniel musste eine Weile umherlaufen, bis er das braune Pfefferkuchenhaus fand. Auf seinem Spaziergang stellte er fest, dass das Dorf zwar klein war, es jedoch immerhin ein Café und ein paar Geschäfte gab, allerdings war von außen schwer zu erkennen, was es dort zu kaufen gab.
    Bei seinem ersten Besuch war es dunkel gewesen, und er hatte den Eindruck bekommen, dass das Dorf sehr alt war. Jetzt bei Tageslicht sah er, dass die meisten Häuser im alten Stil neu gebaut worden waren.
    Corinne arbeitete dieses Mal nicht als Sängerin, sondern als Bedienung. Sie hatte wieder ihr Dirndl an. Sie kam zu ihm und wartete auf seine Bestellung, dabei drehte sie ungeduldig ein Handtuch zwischen den Händen und wirkte ein wenig abwesend. Er konnte ihr Lächeln, als ihre Blicke sich trafen, nicht so recht deuten.
    Er bat um die Speisekarte.
    »Was soll der Scherz«, sagte sie und klatschte ihn leicht mit dem Handtuch. »Was möchtest du? Das Übliche?«
    »Ja bitte«, sagte er und hoffte, er würde es mögen.
    Er bekam Rösti mit Spiegeleiern, Silberzwiebeln und sauren Gurken, dazu einen Krug Bier. Als er gegessen hatte, bestellte er noch ein Bier und begann, in seinem Buch zu lesen.
    Es war nicht sehr hell im Lokal, und als Corinne bemerkte, dass er zu lesen versuchte, kam sie an seinen Tisch und zündete ein Teelicht in einem kleinen Leuchter an. An dem schwarzen Metall baumelten kleine Blätter aus Glas, rot, gelb und orange. Als die Kerze brannte, funkelten sie wie Glut. Es war hübsch, aber als Beleuchtung taugte es nicht. Er hatte das aufgeschlagene Buch vor sich und be
trachtete die glühenden Blätter, die leicht im Wärmestrom zitterten.
    Corinne war meistens in der Küche, aber manchmal kam sie heraus, um die Gäste zu bedienen. Heimlich betrachtete er ihr dreieckiges Gesicht und die schmalen Augen. Als sie an seinem Tisch vorbeikam, streckte sie die Hand aus und strich ihm von hinten über den Kopf:
    »Hast du die Haare geschnitten oder was? Ich habe dich kaum erkannt.«
    Bevor er sich eine Antwort ausdenken konnte, war sie verschwunden. Ihre Berührung war so leicht und flüchtig gewesen, dass keiner von den anderen Gästen etwas bemerkte, aber noch lange danach spürte er kitzelnde Wellen von Wohlbehagen über Kopf und Nacken huschen.
    Er fragte sich, was sie wohl für eine Beziehung zu seinem Bruder hatte, und überlegte, ob er die Situation ausnützen sollte. Eine späte Rache für das Mädchen in London. Max hatte ihn gebeten, an seine Stelle zu treten. Nun ja, dann würde er es ganz und gar tun.
    Aber natürlich würde er niemals so etwas machen. Eine ahnungslose Frau als Spielstein in einem alten Geschwisterkonflikt einzusetzen. Das war das Schlimmste mit dem Mädchen in London gewesen, das hatte er Max nie verzeihen können.
    Wieder streichelte ihm eine Hand über den Kopf und packte plötzlich sein Ohr. Corinne war am anderen Ende des Lokals. Daniel keuchte vor Schmerz, er wollte sich umdrehen, aber der feste Griff an seinem Ohr hinderte ihn daran. Jemand beugte sich über ihn, und eine helle Stimme sagte:
    »Amateur!«
    Die Stimme ging in Lachen über, und sein Ohr wurde losgelassen. Ein Mann mittleren Alters, durchtrainiert und schlank, mit einer lächerlichen Ponyfrisur und unglaub
lich hellroten Haaren, stand neben ihm, einen Bierkrug in der linken Hand. Mit dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand schnitt er wie mit einer Schere in die Luft und sagte:
    »Wer war es?«
    Daniel schaute ihn fragend an.
    »Der mir die Butter vom Brot nehmen will?«
    Er versetzte Daniels Kopf einen festen Stoß.
    Der Mann lachte wieder und setzte sich an einen Tisch ein Stück weiter weg. Er trank sein Bier aus und verließ kurz darauf die Bierstube.
    Als er gegangen war, kam Corinne und setzte sich zu Daniel.
    »Du hättest dir wirklich beim Friseur die Haare schneiden lassen sollen«, sagte sie. »Er nimmt es vielleicht übel, wenn du es jemand anders machen lässt.«
    Friseur? Aha, das war also der Friseur.
    »Kann ich mir nicht die Haare schneiden lassen, von wem ich will?«, sagte Daniel.
    Sie nickte schnell.
    »Ja, aber er könnte es dir übelnehmen. Denk dran.« Sie schaute ihn ernst an und fügte hinzu: »Und er hat recht. Es ist dieses Mal wirklich nicht sehr gut geworden.«
    Sie schaute seinen geschorenen Kopf an und lächelte entschuldigend.
    »Ist dein Bruder wieder abgereist?«
    »Ja, aber er kommt am Donnerstag wieder.«
    »Ach ja? Warum denn das?«
    »Er reist ein wenig in der Gegend herum. Dann kommt er noch

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