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Himmelstal

Himmelstal

Titel: Himmelstal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hermanson
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Dunkel, im offenen Kamin brannte ein Feuer. Die Hostess hinter dem Tresen schaute von ihren Ordnern auf und sagte:
    »Ach, du bist es, Max. Tut mir leid, dein Bruder hat sich nicht gemeldet.«
    Daniel holte tief Luft und schaute ihr ernst in die Augen. Jetzt würde er die Bombe hochgehen lassen.
    »Ich heiße nicht Max. Ich bin sein Zwillingsbruder. Wir haben getauscht.«
    Die Hostess runzelte die Stirn. Es war eine von den älteren, vielleicht fünfundvierzig, aber immer noch gut aussehend. Er wartete, bis die Information sich gesetzt hatte, und fuhr dann fort:
    »Wir sind uns sehr ähnlich. Ich habe meinen Bart abrasiert, und er hat sich einen falschen angeklebt. Aus dem Theaterfundus. Es war seine Idee. Er muss Geld zum Bezahlen der Rechnung holen. Es sollte nur ein paar Tage dauern, dann wollte er zurückkommen. Es muss etwas passiert sein.«
    »Aha«, sagte die Hostess und lächelte vorsichtig.
    »Ich möchte jetzt abreisen«, fuhr Daniel fort. »Ich kann nicht mehr warten. Ich wollte es Ihnen nur sagen. Es ist ein Fehler passiert. Sie haben die falsche Person abreisen lassen.«
    »So?«
    Er nickte.
    »Einen Moment«, sagte die Hostess.
    Ihre Stimme war neutral, und das Gesicht drückte pro
fessionelle Freundlichkeit aus. Sie hob einen Telefonhörer ab, wählte eine Nummer und wartete.
    Die Doppeltüren zum Aufenthaltsraum öffneten sich, Daniel konnte lautes Lachen hören.
    Die Hostess wiederholte am Telefon leise und Wort für Wort, was Daniel gesagt hatte. Dann schwieg sie und hörte zu.
    »Ich verstehe«, sagte sie dann. »Na klar. Vielen Dank.«
    Sie legte auf.
    »Sie sollten vielleicht nach ihm fahnden lassen«, sagte Daniel.
    »Ich glaube nicht, dass das nötig ist.«
    »Vielleicht nicht. Er kommt vielleicht jeden Moment zurück. Aber ich fahre jetzt nach Hause. Ich kann nicht mehr warten. Sie können ihn von mir grüßen. Ich bin sicher, er versteht mich.«
    Die Hostess lächelte und nickte.
    »Ich möchte mich entschuldigen«, fuhr er fort. »Ich habe bei dem Ganzen nur mitgemacht, um meinem Bruder zu helfen.«
    »Das war nett.«
    »Ich hoffe wirklich, dass er freiwillig zurückkommt.«
    »Ja«, sagte die Hostess. »Das hoffen wir auch.«
    Er legte den Hüttenschlüssel auf den Tresen als würde er aus einem Hotel auschecken.
    »Könnten Sie mir bitte behilflich sein und ein Taxi rufen?«
    »Ein Taxi?«
    »Ja. Das mich zum Bahnhof bringen kann. Ich möchte sofort abreisen.«
    Sie betrachtete den Schlüssel auf dem Tresen, als wäre er ein ekliges und vielleicht sogar gefährliches Insekt.
    »Ein Taxi?«, wiederholte sie leise, ohne den Schlüssel zu berühren.
    »Ja bitte. Denn es fährt wohl kein Bus vom Dorf aus, oder?«
    Plötzlich blitzte es in ihren Augen, und sie lachte befreit auf, als hätte er einen Witz erzählt, den sie erst jetzt verstand.
    Sie schrieb etwas in einen Ordner.
    Daniel wartete. Er konnte die Hitze vom offenen Feuer bis zum Tresen spüren. Ein älteres Paar und ein Junge kamen aus dem Aufenthaltsraum und gingen zum Lift.
    Daniel räusperte sich, und die Hostess schaute auf.
    »Ja?«
    Sie schien erstaunt zu sein, dass er immer noch da stand.
    »Haben Sie das Taxi vergessen?«, sagte Daniel.
    Sie lächelte.
    »Ach so. Das Taxi.«
    Sie lächelte noch mehr. Ein eigenartiges, verkrampftes Lächeln. Wenn es nicht so absurd gewesen wäre, hätte man meinen können, sie hätte Angst.
    Der Feuerschein flackerte über die Tierköpfe an der Wand und ließ sie lebendig aussehen. Der Fuchs starrte bösartig, und der Steinbock sah aus wie ein gestrenger alter Onkel, mit seinem Bart und seiner sorgenvollen Stirn.
    »Was ist denn? Wollen Sie nicht anrufen?«
    »Einen Moment. Einen Moment noch.« Ihr Lächeln flackerte jetzt, und sie schaute unruhig über Daniels Schulter.
    Ein Steward mit graumelierten Schläfen kam mit raschen Schritten über die Teppiche und den glatt gebohnerten Boden, wie von einem geheimen Signal herbeigerufen. Er wechselte einen Blick mit der Hostess und schaute Daniel streng an.
    »Aha, du bist das also. Du bist schon öfter hiergewesen, habe ich gehört. Bitte belästige das Personal nicht mit deinen Scherzen.«
    »Er meint es nicht böse«, sagte die Hostess ausgleichend. »Er wollte nur einen Spaß machen.«
    »Aber auf die Dauer wird es langweilig.«
    »Alle machen ihre Scherze übers Abreisen. Dann darf er das auch.«
    Der Steward zuckte mit den Schultern.
    »Solange es auf der Scherzebene bleibt. Aber sag Bescheid, wenn du dich belästigt fühlst.«
    Er nahm den

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