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Himmelstiefe

Himmelstiefe

Titel: Himmelstiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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sich immer nur verloren vorkam. Es war ein gemütliches kleines Zimmer, freundlich und warm eingerichtet.
    „Es ist … sehr schön.“
    Ich machte ein paar Schritte hinein. Neve blieb an der Tür.
    „Okay, ich mache Essen. Du kannst dir inzwischen was zum Anziehen aussuchen.“ Sie zeigte auf den Kleiderschrank. „Ich hoffe, es ist was dabei! Bis gleich.“
    Sie sprang fröhlich die Treppen hinunter und ließ mich allein. Ich schaute aus dem Fenster und hatte einen wundervollen Blick über das kleine, rundum von Wald umsäumte, hügelige Tal. Ich sog den Holzduft der Möbel ein und fühlte die kühlen, gekalkten Wände. Ohne das intensive Leuchten aller Farben und Dinge hätte ich mich auch auf Landurlaub in den Bergen befinden können. Ich schüttelte mich, als könnte ich die Unwirklichkeit, in die ich geraten war, abschütteln und öffnete den Kleiderschrank. Er hing voll mit Kleidern, Hosen, Röcken, Shirts. Und alles schien neu zu sein. Die Sachen waren bei weitem hübscher und geschmackvoller als das, was Delia anschleppte. Trotzdem entschied ich mich für etwas Unauffälliges und vor allem Bequemes: ein schwarzes Sweatshirt und eine schwarze Freizeithose aus Samt. Dazu fand ich ein paar rotgraue Hausschuhe aus Filz, die mir richtig gefielen. Von unten zog ein köstlicher Duft herauf. Ich stieg die Wendeltreppe hinab.
    „Bratkartoffeln!“
    „Mit viel Speck und Zwiebel!“, ergänzte Neve. „Erde hat immer großen Hunger auf Deftiges.“ Sie musterte mein neues Outfit.
    „Ich wusste, dass du dir das aussuchst. Ich wusste es!“
    Ich lächelte verlegen. „Wieso?“
    „Weiß nicht. So ein Gefühl. Beobachter mögen gern schwarz. Ich glaube, dass du andere lieber beobachtest, als selbst im Mittelpunkt zu stehen.“
    Darüber hatte ich noch nie so genau nachgedacht, aber es stimmte. Ich war es ja gewöhnt, von Luisa analysiert zu werden. Aber Luisa machte das mit ihrem Intellekt, während Neve in mich hineinzusehen schien. Hoffentlich war das keine Gewohnheit von ihr, ständig das Innerste ihres Gegenübers nach außen zu kehren. Neve holte einen riesigen Pizzateller aus dem Schrank und füllte ihn mit einem großen Berg Kartoffeln, einer Kelle Quark und Spiegeleiern.
    „Setz dich!“
    Ich zog mir einen bunt gepolsterten Holzstuhl hervor. Neve reichte mir den vollgeladenen Teller. Dazu einen großen Bierkrug, gefüllt mit einer klaren funkelnden Flüssigkeit.
     „Das Wasser ist lecker, es kommt direkt aus einer Quelle im Wald.“
    Sie setzte sich mir gegenüber. Es fiel mir sehr schwer, das Essen nicht in mich hineinzuschlingen. Es war köstlich. Ein Engel, der kochen konnte. Ich bereute, dass ich Neve vorhin gestichelt hatte.
    „Wegen vorhin, tut mir leid. Ich …“
    „Schon gut.“ Sie lächelte. Sie wusste sofort, was ich meinte.
    „Ich glaube, ich verstehe alles noch nicht so richtig“, versuchte ich mich trotzdem zu entschuldigen.
    „Oh, das ist normal. In einer Woche wird es dir schon ganz anders gehen.“
    Ich hatte meinen Teller fast leer gegessen.
    „Es ist köstlich!“
    „Danke.“
    Neve stand auf.
    „Ein paar Kartoffeln sind noch da. Möchtest du Nachschlag?“
    Mir fiel auf, dass Neve gar nichts aß, nicht mal was trank
    „Hast du denn keinen Hunger?“, fragte ich sie.
    Neve brachte die Pfanne und tat mir den Rest davon auf.
    „Ich esse nicht. Das liegt bei Engeln in der Natur der Sache.“
    Sie lächelte.
    „Nie? Und trinken?“ Ich sah sie staunend an. Irgendwas hatte ich wohl tatsächlich falsch verstanden.
    „Auch nicht. Es ist nicht nötig.“
    Ich kratzte meinen Teller ordentlich leer.
    „Aber … von irgendwas …“
    „Engel ernähren sich von Büchern, Wörtern, Sätzen, Gedanken. Noch nie davon gehört?!“
    Nein, davon hatte ich noch nicht gehört. Ich trank den Rest aus meinem Glas. Das Wasser war wirklich köstlich.
    „Ich zeige dir morgen die Bibliothek. Du wirst sehen. Sie ist großartig.“
    Ich nickte. Eine bleierne Müdigkeit legte sich plötzlich auf mich.
    „Aber jetzt gehst du erst mal schlafen, sonst schläfst du mir noch am Tisch ein.“ Ich nickte noch einmal. Meine Zunge war wie betäubt.
    Neve brachte mich nach oben und schloss die apfelgrünen Vorhänge, während ich mich auf das weiche Bett fallen ließ und die leichte Daunendecke über mich zog. Ich stellte ihr eine letzte Frage:
     „Wie lange bist du schon hier?“
    „Sieben Jahre“, sagte Neve und ging zur Tür.
    „Sieben Jahre …“, wiederholte ich andächtig.
    „Du musst jetzt

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