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Himmelsvolk

Himmelsvolk

Titel: Himmelsvolk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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Augenblick dachten sie an alles andere eher, besonders Assap wurde immer nachdenklicher, je mehr er sich mit seinem Bruder verglich, der nun ein fertiger Frosch geworden war. Und so plötzlich! Niemand hatte vorher irgend etwas Bestimmtes vermutet.
    »Faß an, Jen, Bruder!« rief er plötzlich, »wir reißen ihn aus!«
    »Wen denn?« fragte Jen etwas erschrocken.
    »Meinen Schwanz, Bruder. Es ist unmöglich, daß er noch besonders fest sitzt, wenn der deine sich ohne besondere Mühe, ja geradezu von selbst entfernt hat, bedenke, wir sind am selben Tag geboren!«
    Jen sah es ein. »Wir wollen es versuchen«, sagte er etwas unsicher. Eigentlich wünschte er sich heimlich, es möchte nicht gelingen, denn er wäre gar zu gern eine Weile allein schon ein fertiger Frosch gewesen und hätte seinem Bruder davon erzählt, wie es ist, schon erwachsen zu sein.
    Sie mußten einen Augenblick warten, denn es kam eine große Latte den Bach heruntergeschwommen, auf der zwei kleine Waldschnecken saßen, grau und klebrig, wie solche Tiere von Haus aus nun einmal sind, eine blaue Fliege und ein Ohrwurm. Der Ohrwurm war sehr aufgeregt, er lief hin und her und rief irgend etwas, indem er den Arm schwenkte. Die Frösche verstanden nicht alles, es scholl etwa herüber zu ihnen von »verlassener Heimat«, »Wanderfahrt« und »großem Strom«. Endlich hörten sie noch: »Mein selbstgewolltes Erdenschicksal!«
    So fuhr er auf dem großen Holzfloß dahin in der Sonne, und das Uferschilf warf rasche Schatten, als ob man an einem Gitter vorüberführe.
    Assap schüttelte den Kopf und sah dem Fremden nach:
    »Was will er denn?« meinte er, »er scheint ganz von Gott verlassen.«
    »Vielleicht treibt das Holz eines Tages ans Ufer, er steigt aus und gründet eine neue Heimat«, meinte Jen nachdenklich; »so was soll vorkommen.«
    Assap nickte. »Jetzt zieh, was du kannst«, sagte er gefaßt, und Jen tat es mit brüderlicher Hingabe, bis der Schwanz glücklich riß und jeder von ihnen nach einer anderen Seite ins Wasser stürzte. Assap tauchte als erster und nun auch als fertiger Frosch aus den Fluten empor, und die Brüder umarmten einander und beschlossen, ihr Leben lang in Treue zusammenzuhalten. Es ist gewöhnlich so, daß man in einer glücklichen Stunde des Erfolgs gern gute Vorsätze für die Zukunft faßt, und das ist auch durchaus so am Platz.
    Leider wurde den beiden jungen Fröschen keine Gelegenheit zur Ausführung ihrer gemeinsamen Lebensfahrt gegeben, denn der kleine Jen geriet unvermutet in die Gefangenschaft eines Knaben. Er tat alles, was ein vernünftiger Frosch zu tun pflegt, wenn sich ein Storch, ein Mensch oder sonst ein gefährliches Wesen dem Bach nähert: er sprang ins Wasser, tauchte unter und wühlte nach Möglichkeit den Boden des Bachs auf, damit er in der getrübten Flut nicht mehr gefunden werden konnte. Aber diesmal nützte es ihm nichts, denn der Knabe hatte ein Netz bei sich, das an einer Stange befestigt war und vermutlich in der Regel dem Fang von Schmetterlingen diente. Jen wurde emporgezogen, und als das Wasser im Netz sich verlaufen hatte, zappelte er zwischen einigen Schilfhalmen auf dem Grund und war fassungslos, weil er in keiner Weise an die Möglichkeit einer solchen Einrichtung gedacht hatte.
    Der Knabe sah erwartungsvoll in das Netz, und Jen entsetzte sich über die Maßen über die großen blauen Augen des Menschen, die unter gelben Haaren, die im Sonnenschein funkelten, auf ihn niedersahen. Er hörte eine fürchterlich laute Stimme dicht über sich und sah durch die Maschen des Netzes einen zweiten Menschen über die Wiese kommen, der sich nun auch über das Netz beugte, ebensolche Augen hatte, aber bei weitem längeres Haar und eine feinere Stimme.

Es wurde mancherlei über ihn gesprochen, die Laute kamen aus den roten Mündern hervor, und man sah weiße Zähne dahinter blitzen. Jen dachte, während er verzweifelt an der Wand des Netzes emporzukommen suchte, es müßte doch hundertmal besser sein, in die Gewalt des Storches zu geraten, als dem Menschen in die Hände zu fallen. Was er rief und bat, wurde nicht verstanden, soviel ließ sich bald erkennen. Auch er verstand die Laute nicht, in denen die beiden Menschen sich unterhielten.
    »Ach Gott,« sagte der Knabe zu dem kleinen Mädchen, das mit ihm auf die Sommerwiesen gelaufen war, »es ist wieder nur ein ganz gewöhnlicher brauner, ich hätte so gern einmal einen echten grünen Laubfrosch gefangen.«
    »Ja,« antwortete das kleine, blonde

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