Himmlisch verliebt
zehn Minuten. Sollen wir zusammen gehen?“
„Nee. Moritz wartet auf mich.“ Elias drückte seiner Mutter einen Kuss auf die Wange. Die Mutter lächelte und fuhr ihm über die Haare. „Mach`s gut.“
Lilith betrachtete die beiden. Elias war so auf der Hut. Da ahnte sie gleich, dass irgendwas nicht stimmte. Er warf seinen Rucksack auf den Rücken und verließ die Wohnung. Dann ging er ein Stück die Straße entlang. Lilith folgte ihm. An der großen Kreuzung blieb er stehen und sah sich um. Auch Lilith schaute um sich, aber sie konnte niemanden erkennen.
„Lilith?“, flüsterte Elias nun. „Bist du bereit?“ Er drückte sich in einen Hauseingang. „Wir müssen jetzt hier eine halbe Stunde warten. Ich weiß, es ist ein bisschen kalt, aber nicht so schlimm, oder?“ Er grinste. „Ist dir kalt an den Füßen? Willst du meine Socken haben?“
Lilith antwortete nicht. Was hatte das zu bedeuten? Warum stand er hier im Hauseingang herum? Worauf warteten sie? Irgendwann kapierte Lilith endlich, was das ganze sollte: Elias machte sich nämlich auf den Weg zurück zur Wohnung. Er hatte die Zeit abgewartet, bis seine Mutter zur Arbeit ging.
Er öffnete die Korridortür. Leise betrat er die Wohnung, blickte vorsichtig ins Wohnzimmer, in die Küche und ins Schlafzimmer. Schließlich lächelte er. „Wir sind unter uns, Lilith!“
Lilith war fest entschlossen, sich nicht provozieren zu lassen. Sie folgte Elias in sein Zimmer, setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen die Wand.
Elias schaltete den Computer an. Dann kramte er in seinem Regal und zog die CD hervor, die er vor einigen Tagen in seiner Schultasche gefunden hatte. Er schob sie in den Computer. Es dauerte eine Weile, dann ertönte die Eingangsmelodie.
Elias schien sofort mit dem Spiel vertraut zu sein. Er klickte mit der Maus herum, rannte als Junge durch eine mittelalterliche Stadt, befragte Menschen, schmiedete Schwerter, kämpfte gegen Diebe in düsterer Kleidung. Die reale Welt schien vergessen zu sein. Elias spielte und spielte. „Cool“, sagte er einmal. „Wow“, ein anderes Mal. Und einmal fluchte er leise: „Scheiße, Scheiße.“ Das war alles.
Lilith blickte auf die Uhr. Die Zeit verstrich langsam. Es kostete sie Mühe, hier in dem Zimmer herumzusitzen und gar nichts zu tun. Gerne hätte sie Elias abgelenkt, sich kurz gezeigt, um wieder zu verschwinden. Aber das wäre kindisch gewesen.
„Langweilst du dich, Lilith?“, fragte Elias plötzlich. Lilith sah auf. Elias hatte sich umgedreht, schaute aber in die falsche Richtung. „Wenn du dich nicht zeigst, spiele ich Computer. Ich werde dann genauso wie früher. Ich spiele und spiele. Ich schwänze die Schule. Ich bin frech zu meiner Mutter …“ Er lachte vergnügt. „Nur du kannst mich retten!“
Lilith unterdrückte ein Seufzen. Sie war selbst schuld daran, dass er sie nun immer wieder versuchte zu erpressen. Sie hätte sich niemals in sein Leben einmischen dürfen. Aber sie hatte es ja nicht absichtlich getan. Es war nicht ihre Schuld gewesen, dass sie plötzlich für ihn sichtbar geworden war. Diese Karten waren es gewesen. Von ihnen war eine unheimliche magische Kraft ausgegangen.
Plötzlich klingelte es. Elias sah irritiert auf und warf einen Blick auf die Uhr. Einen Moment überlegte er. Schließlich beschloss er, mit dem Spiel fortzufahren.
Wieder klingelte es. Diesmal lauter und ungeduldiger. Elias zögerte. Dann stand er auf und ging zur Korridortür.
Lilith folgte ihm neugierig. Endlich passierte mal etwas!
Elias lauschte durch die Sprechanlage. „Ja?“
„Ich bin`s. Merle.“
„Okay. Komm rein.“ Elias drückte den Knopf des Türöffners. Kurze Zeit später stand Merle in der Wohnungstür.
„Hi.“
„Hallo.“
Merle ging auf Elias zu und umarmte ihn kurz. Elias wehrte die Umarmung halb ab, halb ließ er sie zu. Wie ein sekundenlanger Kampf sah das aus.
„Wieso bist du nicht in der Schule?“, wollte Merle wissen.
„Keinen Bock. Und du?“
„Ich bin krank. Kopfschmerzen.“ Merle setzte sich auf die Schreibtischplatte neben den Monitor und blickte Elias herausfordernd an. „Die Sommer hat mich jedenfalls nach Hause geschickt.“
Elias lachte. „Lass mich raten: Dann ist es dir unterwegs ein bisschen besser gegangen und du bist bei mir vorbeigekommen.“
„Exakt“, sagte Merle mit einem Grinsen.
Elias setzte sich auf den Schreibtischstuhl und streckte die Beine aus. „Ich bin übrigens allein. Glaube ich jedenfalls.“ Er grinste. „Wenn du
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