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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Testamenten verstehen.
Ein nicht geltend gemachter Anspruch auf Steffanis Nachlass dürfte schon vor
Jahrhunderten verfallen sein: Sollte sich unter diesen alten Papieren irgendetwas
von Wert befinden, so steht dies in keiner Weise diesen impertinenten Cousins
zu, sondern, leider, unserem noch impertinenteren Staat.
    Ich habe keine Ahnung, mit was für Leuten Du Dich da eingelassen
hast: Die Nicht-Erben machen einen unangenehmen Eindruck, zumindest auf mich,
die ich schon so lange von Venedig fort bin und nicht täglich mit Leuten ihres
Schlages zu tun habe. Ihr Anwalt aber muss das wissen, und deshalb frage ich
mich, was er im Schilde führt. Ich möchte nichts Unfreundliches über ihn sagen,
falls er der Anwalt ist, mit dem Du zum Essen verabredet bist, aber wenn er es
ist, muss auch er über diese Tatsache Bescheid wissen.
    Wenn Du aus ihm nicht schlau wirst, und wenn Du mir sagen kannst, wo
genau in Rom sich diese Truhen befunden haben – das heißt, welches Amt oder
welche Dienststelle sie hatte –, könnte ich für Dich ein bisschen Staub in den
Akten aufwirbeln. Ich habe noch ein paar akribische, wahrheitsliebende Freunde
dort, die wissen, dass man die Wahrheit nur finden kann mit Hilfe akkurater
Quellenforschung und nicht, indem man Belege sucht für ein vorgefasstes Ziel.
Außerdem bin ich selbst neugierig.
    Danke für die angebotene Gastfreundschaft. Sollte ich hier Reißaus
nehmen, komme ich als Erstes zu Dir, glaub mir.
    Alles Liebe, Tina-Lina.«
    Die Uhr unten am Bildschirm zeigte schon 19:15, und deshalb klickte
Caterina, ohne zu überlegen, auf »Antworten«.
    [219]  »Liebe Tina,
    die Truhen befanden sich im Besitz der PF – ein Name, der mir nicht weniger unheimlich ist als KGB oder CIA . Man hat mir erzählt, die Truhen seien
bei einer Bestandsaufnahme zutage gekommen. Ich nehme an, der Forscher, der sie
entdeckte, stieß auf die Namen der ursprünglichen Cousins, suchte in der Gegend
von Castelfranco nach Nachkommen und nahm Kontakt mit ihnen auf. So würde ich
oder jeder andere Wissenschaftler das jedenfalls machen, aber ich kann es Dir
nicht mit Sicherheit sagen.
    Die Truhen machten mir den Eindruck, als seien sie, seit sie damals
versiegelt wurden, nicht mehr geöffnet worden, aber das Verschleiern von Einbruchsspuren
dürfte zu den Anfängertricks der von der PF praktizierten Schwarzen Künste zählen.
    Ja, der Anwalt, mit dem ich essen gehe, ist der Anwalt der Cousins.
Ich werde ihn mit Wein und Grappa abfüllen und ihm dann zu entlocken versuchen,
wie sie an die Truhen gekommen sind. Sollte das nicht klappen, bin ich
vielleicht gezwungen, ihn mit meinen Reizen zu becircen, und welcher Mann
vermöchte denen zu widerstehen?
    Danke für den Hinweis auf die Verjährungsfrist; ich schäme mich,
dass ich dem keine Beachtung geschenkt habe. Natürlich war es mir nicht neu,
aber Avvocato Moretti hat mir offenbar so sehr den Kopf verdreht, dass ich mein
Jurastudium, ganz zu schweigen von meinem gesunden Menschenverstand, vergessen
habe. Oder aber ich wollte den Auftrag um jeden Preis, weil er interessant ist
und ich dank ihm wieder zu Hause in Venedig sein kann. Alles Liebe, Cati.«
    Zehn Minuten später klingelte ihr telefonino. Ihr erster [220]  Gedanke war, dass ihre Eltern sie zum Essen einladen wollten –
allzeit bereit, ihre Letztgeborene zu verköstigen und vor einem Abend in
Einsamkeit zu bewahren.
    Sie meldete sich mit ihrem Vornamen.
    » Ciao, Caterina«, sagte Andrea. »Ich stehe
vor dem Haus. Komm runter, wenn du fertig bist.«
    »Hast du keinen Schlüssel?«, platzte sie unfreiwillig heraus.
    »Doch, aber heute Abend bin ich außer Dienst«, sagte er lachend.
»Pass auf, die Bar in der Via Garibaldi, die erste auf der linken Seite. Ich
warte dort auf dich, in Ordnung?«
    Einen Augenblick lang konnte sie, hin- und hergerissen zwischen
freudiger Überraschung und Misstrauen, keine Antwort geben. »In zwei Minuten
bin ich da. Bestell mir einen Spritz, bitte. Mit Aperol.«
    »Sarà fatto«, sagte er und legte auf.
    Caterina hatte nie etwas davon gehalten, die Spröde zu spielen,
nicht weil diese Taktik nichts taugte – ihre Freundinnen hatten sie mit viel
Erfolg eingesetzt –, sondern weil sie so durchschaubar war. Sie hasste es, wenn
man sie warten ließ, und kaum etwas war ihr peinlicher, als jemand anderen
unnötig warten zu lassen. Sie machte den Computer aus, steckte ihr telefonino ein, prüfte die Tresortür, schloss das Büro ab
und ging nach unten.
    Er stand am Tresen, den

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