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Himmlische Juwelen

Himmlische Juwelen

Titel: Himmlische Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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hinunterspülen. Der Kaffee kam
schnell, einer der Vorteile, wenn man hier hinten saß. Sie riss ein
Zuckertütchen auf und leerte es langsam in die Tasse; rührte um, legte den
Löffel auf die Untertasse und setzte sich seitlich, nicht, um nach Sergio zu
sehen, sondern weil sie ihren Anblick im Spiegel nicht ertrug.
    Kellner kamen an die Bar, gaben ihre Bestellungen weiter und trugen
Tabletts zu den Tischen. Einige tapfere Zeitgenossen saßen schon, bibbernd in
Jacken und Schals gehüllt, in der schwachen Frühlingssonne draußen auf der
Piazza, um nur ja nichts von Venedig zu verpassen.
    Sie betrachtete ihren Kaffee, der, kalt geworden, noch weniger
verlockend war. Als sie wieder aufblickte, stand Sergio vor ihr: groß, beleibt,
unversehrt. Sie glitt vom Hocker und schlang die Arme um ihn, schmiegte ihr
Gesicht an seinen [263]  Hals und sagte: »Es tut mir so leid, Sergio. Entschuldige,
bitte, entschuldige.«
    Erst als sie sich von ihm löste, bemerkte sie seine erstaunte Miene,
und auch der Barmann sah sie mit unverhohlener Neugier an.
    »Was hast du?«, fragte Sergio. »Was ist passiert?«
    »Dieser Mann. Was hat er getan?«
    Sergio half ihr wieder auf den Hocker und gab ihren Arm erst frei,
als sie saß. »Was ist passiert?«, fragte sie, auf das Schlimmste gefasst.
    »Dieser Mann?«, fragte Sergio.
    Caterina fragte nun leicht gereizt, denn um wen sollte es denn sonst
gehen: »Was hat er getan?«
    Sergio bat den Kellner um ein Glas Weißwein, irgendeinen. Er sah
ihren unberührten Kaffee, befühlte mit dem Fingerrücken die Tasse, nahm sie
dann mitsamt der Untertasse und reichte sie auf die andere Seite des Tresens
hinüber. »Zwei Gläser«, bat er den Kellner und wandte sich wieder Caterina zu.
    »Erzähl mir, was passiert ist«, sagte sie, »bitte.«
    Sergio brachte endlich ein Lächeln zustande, auch wenn sie
argwöhnte, er wolle sie damit nur beruhigen. »Ich konnte erst gestern Abend
hingehen. Vorher hatte ich noch in einem Hotel zu tun, es ging um neue
Verblechungen.« Bei der Erwähnung dieses überflüssigen Details knirschte
Caterina mit den Zähnen.
    Der Kellner stellte ihnen die Gläser hin. Sergio reichte ihr eins,
stieß aber nicht mit ihr an und sagte auch nicht »cin cin«. Er nahm einen ausgiebigen Schluck und stellte das Glas auf den Tresen. Dann
nahm er eine Handvoll Erdnüsse und steckte sich eine nach der anderen mit der
freien Hand in [264]  den Mund. Wie lange sollte sie noch warten, bis er ihr
endlich erzählte, was geschehen war?
    »Gegen sieben bin ich zu ihm reingegangen; sonst war niemand da. Der
Laden ist voller Ramsch, alles aus China. Schreckliches, hässliches Zeug. Robaccia. « Hielt er sie so hin, damit sie Zeit hatte, sich
auf das Schlimmste gefasst zu machen?
    »Als ich reinkam, sah er auf und bedeutete mir lächelnd, ich solle
mich in aller Ruhe umschauen. Als ob mich dieser Krempel interessiert hätte.«
Zu ihrer Verblüffung bemerkte er: »Aber eins war tatsächlich interessant. Er
hat die Schmetterlinge, die dieser Bursche in der Calle del Fumo herstellt.
Recht hübsch. Das Einzige in dem Laden – von ihm mal abgesehen –, das aus
Venedig stammt.«
    Eben noch hatte sie um ihn gezittert, jetzt hätte sie ihn am
liebsten geschüttelt, damit er endlich zur Sache kam. Doch sie hielt still,
nahm nur ihr Glas und trank einen Schluck, ohne etwas zu schmecken.
    »Ich nehme also eins von diesen Dingern und gehe damit dorthin, wo
er mit seiner Zeitung sitzt.« Sergio aß die letzten Erdnüsse aus seiner Hand,
trank etwas und stellte sein Glas neben ihres.
    »Ich hatte mir überlegt, ich mach das wie die Leute im Film: den
harten Burschen markieren und dem kleinen Mistkerl einen gehörigen Schrecken
einjagen.« Der Mann, der sie verfolgt hatte, war zehn Zentimeter größer als
Caterina: Nur Sergio brachte es fertig, ihn als »klein« zu bezeichnen.
    »Und was hast du getan?«, fragte sie.
    »Ich hab ihm den Schmetterling unter die Nase gehalten und ihn
gefragt, was ihm einfällt, meiner Schwägerin [265]  nachzuspionieren und Angst
einzujagen. Dann hab ich dem Schmetterling einen Flügel abgebrochen und ihn auf
die Zeitung fallen lassen.« Sergio senkte den Blick auf seine Füße, griff nach
dem Glas und nahm einen tiefen Zug.
    Er hielt das Glas zwischen sich und Caterina in seinen kräftigen
Fingern, die mühelos den Stiel hätten abknicken können. Dann stellte er es hin
und nahm noch eine Handvoll Erdnüsse.
    »Was hat er getan?«, fragte sie, weil sie unbedingt endlich

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