Himmlische Leidenschaft
auch keine Liebe mehr fühlen. Ich werde nie wieder irgend etwas lieben, was sterben kann.«
Sie wollte den Blick von der ruhigen Sicherheit in seinen Augen abwenden, aber sie tat es nicht. Statt dessen ließ sie die Wahrheit seiner Worte wie unsichtbare Stahlklauen in ihr Bewußtsein eindringen.
Es überraschte sie, wie tief und qualvoll der Schmerz war, den sie dabei empfand. Bis zu diesem Augenblick hatte sie gar nicht gewußt, wieviel sie Case bereits von sich selbst gegeben hatte.
Case, der Mann, der nichts von ihr wollte.
Er war wie die wilden Raubvögel, die sich dagegen gewehrt hatten, ihre Gefangenen zu sein, und sei es auch nur für die kurze Zeitspanne, um wieder gesund zu werden.
Aber das ist nun mal die Wesensart von Habichten , erinnerte sie sich. Case ist ganz sicher nicht immer so gewesen.
Was mag er nur erlebt haben, daß er derart vor Liebe zurückschreckt?
Sie sprach die Frage jedoch nicht aus. Es hätte keinen Sinn. Sie würde Case damit nur Schmerz zufügen.
»Sie glauben mir«, sagte er.
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Die Art, wie plötzlich alles Licht in ihren Augen erlosch, die vollkommene Reglosigkeit ihres Körpers, als ob ihr Herz zu schlagen aufgehört hätte, sagten ihm deutlicher als alle Worte, daß sie ihm glaubte.
»Ich glaube Ihnen«, flüsterte Sarah.
Er nickte. »Gut. Ich möchte keine Unwahrheiten zwischen uns.«
»Welche Rolle würde das schon spielen?« fragte sie leicht ärgerlich. »Sie sind nur ein weiteres dieser wilden Geschöpfe, die verletzt über meine Türschwelle gekommen sind und wieder gehen werden, sobald sie einigermaßen laufen können.«
»Ute ist nicht gegangen.«
»Sie klingen, als ob Sie das beunruhigte.«
»Das sollte es eigentlich. Heilung ist eine Art von ... Zauberei.«
Mehrere Atemzüge lang starrte Sarah schweigend in Cases Augen, Augen, deren Farbe jetzt an das erste zarte junge Grün des Frühlings erinnerte. Aber es war ein Frühling, der für ihn niemals kommen würde.
Weil er es nicht wollte.
Er scheute das Leben auf eine Art, wie die meisten Männer den Tod scheuten.
Das Lächeln, das Sarah ihm schenkte, war ebenso schmerzlich wie ihre Gedanken.
»Machen Sie sich deswegen nur keine Sorgen«, sagte sie. »Ich bin keine Hexe, die über einem Kessel voller Kröten hockt und hämisch in sich hineinlacht. Ich bin nur eine Witwe, die durch unliebsame Erfahrungen gelernt hat, wie man mit Schnittwunden, Knochenbrüchen und Schußverletzungen umgeht.«
Sein angespannter Gesichtsausdruck veränderte sich kaum merklich. Nur wenige Menschen hätten es bemerkt. Noch weniger wären auf die Idee gekommen, daß es seine Art zu lächeln war.
»Keine Kröten, wie?« fragte er.
»Keine einzige.«
»Da fällt mir aber ein Stein vom Herzen.«
Mit einem Widerstreben, das er nicht zeigte, zog er seine Hand von ihrem weichen Haar zurück, wandte sich ab und sammelte seine
Kräfte, um seinen anstrengenden und schmerzhaften Rundgang durch das Haus wieder aufzunehmen.
Sarah drehte sich mit Case herum, während sie ihm als zweite Krücke diente.
Er zögerte einen flüchtigen Moment lang, dann akzeptierte er ihre Hilfe.
»Ich kann allerdings nicht für Lolas Heilsalben sprechen«, sagte sie betont heiter. »Es ist durchaus möglich, daß hin und wieder eine Schlange in ihren Arzneien landet. Oder in ihrem Eintopf, was das betrifft.«
»Big Lola.« Case schüttelte versonnen den Kopf. »Wie ist es eigentlich dazu gekommen, daß Sie mit der alten Hu- äh, Frau zusammenwohnen ? «
»Sie kam eines Tages den Weg oben am Felsrand herunter, ungefähr einen Monat, nachdem ich Ute schwerverletzt in den Fingern der Morgenröte gefunden hatte.«
»Finger der Morgenröte? Hab’ nie davon gehört.«
Sarah zuckte die Achseln. »Sie sind auch auf keiner Landkarte verzeichnet. Ich habe sie so genannt. Hier draußen gibt es so viele verschiedene Felsformationen, daß ich ihnen einen Namen geben muß, um den Überblick darüber zu behalten, wo ich schon nach dem Schatz gesucht habe und wo nicht.«
Case bewegte sich unbeholfen durch den Raum, während er sich zwang, Sarahs Erklärungen zuzuhören. Es half ihm, seine Gedanken von der sinnlichen Hitze abzulenken, die durch sein Blut pulsierte.
»Ich glaube, Sie sollten sich jetzt wieder hinlegen«, sagte sie nach einer Weile. »Sie sehen erschöpft aus.«
Case schüttelte nur den Kopf. Der angespannte Zug um seinen Mund hatte nichts mit Schmerz zu tun. Sondern mit verzehrendem Hunger.
Sarahs
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