Himmlische Leidenschaft
das Mündungsfeuer des Revolvers seines Gegners.
Case gab seine erste Serie von Schüssen in so schneller Folge ab, daß der dumpfere Knall der Schrotflinte den vierten Schuß des Banditen übertönte. Schrotkugeln sausten jaulend durch das Salbeigebüsch und zerrissen dann die Nacht in einem tödlichen Bleihagel.
Der Bandit grunzte zweimal.
Falls er noch irgendwelche anderen Laute von sich gab, so gingen sie unter in den Geräuschen, die Case machte, als er sich blitzschnell in eine neue Position rollte. Er wußte, das Mündungsfeuer seines eigenen Gewehres hatte seinen Standort verraten.
Noch während er sich herumwarf, erkannte er, daß es keinen Ort gab, wo er sich hätte verstecken können. Der Bandit war zu nahe, als daß er ihn lange täuschen konnte.
Die fünfte Revolverkugel zerrte an Cases Ärmel. Eine weitere schlug so dicht neben ihm in den Boden ein, daß ihm Erdklumpen und Stücke von Rinde ins Gesicht spritzten, als er darum kämpfte, eine bessere Deckung zu finden.
Aus der Dunkelheit ertönte ein unmißverständliches Knacken, als der Hahn eines zweiten Revolvers gespannt wurde.
Case feuerte mit dem zweiten Lauf seiner Schrotflinte auf die Stelle, wo das Geräusch hergekommen war, und warf sich dann in die entgegengesetzte Richtung. Noch bevor er auf dem Boden landete, war sein Revolver in seiner Hand.
Er zwang sich, flach und so leise wie möglich zu atmen, während er angespannt wartete.
Keine weiteren Feuerzungen sprangen aus der Dunkelheit auf ihn zu.
Ein Stöhnen war zu hören, dann lautes Geraschel und das Knacken von zerbrechenden Zweigen, als ob ein großes Tier durch das Gebüsch stolperte, ein dumpfer Aufprall...
Und dann nichts mehr.
Case wartete.
Kalter Schweiß rann in Strömen über seine Stirn und an seinen Rippen herab. Seine Lungen sehnten sich schmerzlich danach, Luft in tiefen Zügen in sich aufzunehmen, statt der flachen, knauserigen Atemzüge, die alles waren, was er sich gestattete.
Es drangen keine weiteren Geräusche aus der Dunkelheit.
Dennoch verhielt Case sich vollkommen still.
Und wartete.
Noch lange, nachdem andere Männer sich schließlich wieder bewegt hätten, lag Case absolut reglos da, die Augen bis auf einen schmalen Schlitz geschlossen. Mit seinem sechsschüssigen Revolver in der Hand wartete er mit all der Geduld und Wachsamkeit, die er während des Krieges gelernt hatte.
Er wartete, so wie der Tod wartet. Geduldig. Unerbittlich.
Schließlich bewegte sich das Salbeigebüsch erneut. Laub raschelte, Zweige knackten. Unsichere Schritte näherten sich seinem Versteck.
Er rührte sich nicht.
Der Bandit gab sich keine sonderlich große Mühe, leise zu sein. Er wollte sich ganz einfach vergewissern, daß Case tot war.
In dem Moment, als der Bandit die dunkle, reglose Gestalt vor dem etwas helleren Gebüsch sah, hob er seinen Revolver und krümmte den Finger um den Abzug.
Drei Schüsse zerrissen die Nacht.
Jede einzelne der Kugeln grub sich in den Körper des Banditen.
Als der Mann diesmal zu Boden ging, geschah es ohne theatralisches Stöhnen und wildes Umsichschlagen. Der Bandit brach ganz einfach lautlos zusammen und blieb mit dem Gesicht nach unten im Schmutz liegen.
Mit schußbereit erhobenem Revolver kam Case auf die Füße, ging ein paar Schritte vorwärts und drehte den Mann mit der Fußspitze herum.
Er trug zwar einen Sombrero statt einer alten Uniformmütze der Konföderierten Armee, aber selbst in dem schwachen Licht waren der lange, magere Körper des Mannes, sein schmales Gesicht mit den eng zusammenstehenden Augen und das strohblonde Haar unverkennbar.
Ich will verdammt sein, dachte Case verblüfft. Warum hat er nicht sein Maultier geritten?
Dann: Ich wüßte zu gerne, welches Mitglied der Culpepper-Brut ich erwischt habe.
Die Antwort war schwierig.
Egal. Spielt wahrscheinlich keine große Rolle. Ein Schurke ist so ziemlich wie der andere.
Abgesehen von Ab, korrigierte er sich. Der alte Knabe könnte selbst den Teufel noch Bösartigkeit lehren.
Wieder verschmolz Case mit dem hohen Salbeibusch. Mit raschen, geschickten Handgriffen lud er seinen Revolver und die Schrotflinte nach. Die Patronen glitten glatt, fast geräuschlos in ihre Kammern.
Wieder wartete er reglos.
Diesmal rührte sich nichts, ganz gleich, wie lange er auf die gedämpften Geräusche der Nacht lauschte.
Langsam stieß er den angehaltenen Atem aus. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er fror, daß sein verletztes Bein schmerzhaft pochte und seine Stirn an der
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